Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
Veranda genommen. Niklas spielte auf einer Decke im Gras und Tom warf von Zeit zu Zeit ein Auge auf seinen Sohn. Die Neuigkeit über die angebliche Pleite des Bauunternehmers hatte ihn neugierig gemacht. Stück für Stück ging er die Finanzierungsunterlagen durch, um zu sehen, wie viel Geld überhaupt für die Ferienanlage zur Verfügung gestanden hatte. Die Summe belief sich auf über 100 Millionen Euro und war zum größten Teil über Banken finanziert. Aber auch ein paar Privatinvestoren hatten Geld in das Projekt gesteckt. Niklas schrie plötzlich wie am Spieß und Tom sprang auf. »Was ist denn mein Kleiner?« Er nahm den Jungen auf den Arm, der ihm seine Hand vor das Gesicht hielt. Tom sah einen großen roten Fleck, der langsam anschwoll. Ein Bienenstich vermutete er und eilte mit Niklas ins Haus, um die Verletzung zu kühlen. Langsam beruhigte sich das Kind, während Tom die Hand unter kaltes Wasser hielt. Als der Schmerz anscheinend erträglich war, setzte er Niklas auf die Waschmaschine und suchte im Badezimmerschrank nach einer Salbe. Haie hatte für solche Fälle bestimmt etwas im Haus, wusste er, denn der Freund war, was Niklas betraf, immer bestens vorbereitet. Daher dauerte es auch nur einen kurzen Moment, ehe er die schmerzstillende Salbe und ein buntes Kinderpflaster gefunden hatte. Niklas strahlte, als er den Verband mit den bunten Tieren auf seiner Hand sah. Zum Trost bekam er von Tom noch ein Eis, ehe sie zurück in den Garten gingen und er sich eine Weile zu seinem Sohn auf die Decke setzte. Er betrachtete den Kleinen von der Seite, der genüsslich an dem Milcheis schleckte, und musste unweigerlich lächeln, als Niklas ihn mit einem Eisbart anstrahlte. Er baute einen Turm mit den Klötzen für ihn, ehe er zurück an seine Arbeit kehrte. Leicht lustlos blätterte er die Seiten des Finanzierungsplans um, bis er plötzlich stockte. Er schlug die letzten Blätter zurück. In der Liste der Privatinvestoren stach ein Name heraus, der ihn förmlich ansprang. Reederei Carsten M. Schneider.
Während Haie ins Strandhotel vorging, schlenderten Peer und Dirk zum Kiosk hinüber.
»Ich denke, eine Gegenüberstellung bringt uns zunächst mehr als ein Phantombild«, bemerkte Nielsen, der sicher war, dass Paul Schlüter etwas mit den Morden zu tun hatte. »Selbst wenn er vielleicht nur Handlanger war.« Er hatte Thamsen von der Verbindung des Verdächtigen zur Reederei erzählt. »Egal ob die zusammen gearbeitet haben oder nicht. Die kannten sich, da bin ich mir sicher.« Thamsen sah die ganze Angelegenheit etwas nüchterner. Er wusste nur zu gut, wie schnell man sich manchmal bei den Ermittlungen in etwas verrannte. Dennoch konnte eine Gegenüberstellung nicht schaden. Die Frau, die den Verdächtigen am Sonntag gesehen haben wollte, stand auch heute hinter dem Tresen und verkaufte einer Urlauberin eine Dose Cola und eine Tüte Weingummi. Sie lächelte die Kundin freundlich an, doch als sie Thamsen erblickte, verging ihr die Freundlichkeit.
»Ich habe das heute nicht geschafft«, verteidigte sie sich. »Margot ist krank.«
»Das Phantombild ist ohnehin erst einmal verschoben«, klärte Thamsen die Kioskbesitzerin auf. »Dafür fahren Sie morgen mit mir nach Hamburg. Zu einer Gegenüberstellung.«
»Gegenüberstellung? Haben Sie den Typen? Aber ist das nicht gefährlich?«
»Nein, nein«, mischte sich nun Peer ein. In Hamburg haben wir für solche Fälle einen extra Raum. Der Mann wird Sie nicht sehen. Wie im Fernsehen.«
Haie blickte sich im Raum suchend um. Wer konnte etwas über die Frau im Rollstuhl wissen? Am ehesten wahrscheinlich Manuela, aber an den Familientisch konnte er sich schlecht setzen. Da war auch kein Platz mehr frei. Er spähte weiter, bis er schließlich Lina Umbrecht entdeckte.
»Moin, ist hier noch frei?« Die ehemalige Nachbarin der Toten nickte. Haie ließ sich auf den Stuhl plumpsen. »Ganz schön voll.« Lina Umbrecht musterte ihn. Sie kannten sich nur flüchtig und hatten bisher kaum mehr als ›Guten Tag‹ und ›Guten Weg‹ zueinander gesagt. Dass Haie plötzlich so redselig war, kam ihr mehr als seltsam vor.
»Ja, so ein Doppelmord kommt ja auch nicht alle Tage vor«, begründete sie die hohe Anzahl der vermeintlichen Trauergäste.
»Nee, hast recht.«
Eine der Kellnerinnen kam an den Tisch und servierte Kaffee und Kuchen. So recht traute sich jedoch keiner anzufangen, man wartete auf ein paar Worte der Familie, doch an dem Tisch tat sich nichts, und so begannen die
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