Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
nichts mit. Die Glocken begannen zu läuten, sie gingen zusammen nach allen anderen in die Kirche. Wie erwartet, gab es keine Sitzplätze mehr, sodass sie sich seitlich in den Gang an die Wand stellten. Thamsen blickte sich um, einige Gesichter kannte er von der Befragung der Seniorengruppe, gleich neben ihm in der Bank saß Lina Umbrecht und nickte ihm zu. Die erste Reihe war für Familienangehörige reserviert und er sah Manuela und Jost Groß neben einem älteren Ehepaar sitzen. Vielleicht seine Eltern oder Geschwister der Toten? Von Harry Leibnitz gab es allerdings keine Spur. Die Orgelmusik setzte ein und der Pastor schritt nach vorn. Von der Trauerfeier bekam Thamsen nichts mit. Er behielt ebenso wie Peer Nielsen die Anwesenden im Visier und konzentrierte sich auf das Verhalten der Gäste, statt den rührenden Worten des Seelsorgers zu lauschen. Doch nach einer Weile schweiften seine Gedanken ab. Wie es Dörte wohl ging? Er musste sie unbedingt anrufen. Aber von Annes und Timos Reaktion würde er ihr besser nichts erzählen. Die beruhigten sich wieder, hoffte er. Und wenn nicht? Irgendeine Lösung mussten sie finden. Er stand zu Dörte und dem Kind und würde sie in der Situation auf keinen Fall alleine lassen. Egal, was Anne und Timo dazu sagten. Da mussten die beiden jetzt durch. Jahrelang hatte er sich nach ihnen gerichtet; nun mussten sie sich einmal seinen Wünschen fügen und sich mit Dörte und dem Geschwisterchen arrangieren. Er zuckte zusammen, da erneut die Orgel einsetzte. Der Gottesdienst war vorbei, die beiden Särge wurden von jeweils sechs Männern hinausgetragen, dann standen die Leute in den Bänken auf und folgten dem Trauerzug. Thamsen trat einen Schritt zur Seite, um einer Dame im Rollstuhl Platz zu machen. Ebenso wie Nielsen blieb er, bis alle Trauernden die Kirche verlassen hatten, doch etwas Ungewöhnliches fiel den beiden nicht auf. Im Gegensatz zu Haie.
»Wer war denn die Frau im Rollstuhl?« Thamsen zuckte mit den Schultern. Er kannte sich in der Gegend bei Weitem nicht so gut aus wie der Freund und wunderte sich daher, dass der Hausmeister ihn fragte.
»Wieso, kanntest du die nicht?«
Haie schüttelte den Kopf. »Nee, habe ich noch nie gesehen.«
»Ist sie denn alleine da?«, mischte sich nun Peer ein. Thamsen und Haie zuckten beide mit den Schultern. Sie gingen hinaus und mussten blinzeln. Die Sonne blendete sie nach der eher düsteren Kirchenatmosphäre. Die Trauergäste waren hinüber auf den kleinen Friedhof gezogen. Sie sahen die große Schar dicht gedrängt vor dem ausgehobenen Doppelgrab stehen. Die Särge waren hinabgelassen worden und der Pastor sprach das allerletzte Geleit. Die drei Männer hielten nach der Dame im Rollstuhl Ausschau, doch die schien wie vom Erdboden verschluckt.
»Die kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben«, bemerkte Haie und blickte zur Straße hinunter. »Selbst fahren wird die doch kaum – und ein Auto habe ich nicht wegfahren sehen, ihr?«
Die beiden Kommissare schüttelten den Kopf. Langsam gingen sie auf die Grabstelle zu, an der sich die Gruppe allmählich auflöste. Manuela Groß stand neben der Grube und die Gäste kondolierten ihr. Auch Thamsen, Peer und Haie reihten sich ein, um der Tochter ihr Beileid auszudrücken.
»Wann werden denn die Ermittlungen abgeschlossen sein?« Der Ehemann von Manuela zog Thamsen ein Stück zur Seite. Der blickte ihn verwundert an, wusste aber sofort, worauf der Schwiegersohn der Verstorbenen hinauswollte.
»Kannten Sie die Dame im Rollstuhl?«, fragte er statt auf den Stand der Ermittlungen einzugehen.
Der bullige Mann blickte ihn mit großen Augen an, in denen Thamsen für einen kurzen Moment Wut aufblitzen sah. Doch Jost Groß schien sich im Griff zu haben.
»Nee, kannte ich nicht. Wieso, ist die verdächtig?«
»Kommst du Jost?« Manuela Groß war neben ihren Ehemann getreten und hakte ihn ein. »Die Gäste warten.«
Thamsen vermutete, es sollte nach der Beerdigung eine Kaffeetafel geben, wie sie hierzulande üblich war. Er nickte Haie kaum merklich zu, der sofort verstand. »Wo ist denn die Feier?«
»Im Strandhotel«, entgegnete die Tochter, »Sie sind selbstverständlich auch eingeladen, Herr Kommissar.« Sie zog ihren Mann fort und ließ die drei stehen.
»Meinst du, das bringt etwas, zum Leichenschmaus zu gehen?« Thamsen blickte Haie fragend an.
»Na, schaden kann es nicht, zumindest gibt es ein anständiges Stück Butterkuchen.«
Tom hatte sich seine Unterlagen mit auf die
Weitere Kostenlose Bücher