Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
Flensburg. Auf der Straße war die Hölle los. Samstag, Bettenwechsel in Dänemark. Er stöhnte. Ein bis unter die Dachkante beladenes Auto reihte sich ans andere. Oftmals mit Fahrradanhängern. Es ging nur im Schneckentempo voran. Kurz war Peer versucht, sich mit Hilfe des Blaulichts Platz zu verschaffen, gab sich dann allerdings doch der Urlauberflut geschlagen. Die beiden Kommissare hatten es für besser befunden, wenn Peer nach Niebüll kam. Die prägnantesten Neuigkeiten hatte nämlich Thamsen. Harry Leibnitz’ Zuckerkrankheit, der angebliche Erbe und das Phantombild. Da konnte Peer mit seinem verreisten Investor nicht mithalten. Zumal sie mittlerweile auch Paul Schlüter wieder hatten gehen lassen müssen, da sie den Verdacht gegen ihn durch die Gegenüberstellung nicht hatten erhärten können. Peer war ganz froh, mal rauszukommen, alles hinter sich zu lassen und doch weiter an dem Fall arbeiten zu können. Das Gespräch mit seinem Vorgesetzten hatte ihm nämlich klargemacht, dass er tatsächlich etwas an seiner Arbeitsweise ändern musste. Vielleicht konnte er von dem erfahrenen Kollegen aus Niebüll etwas lernen. Immerhin leitete er seit einigen Jahren die Dienststelle dort – da konnte er ihm in Bezug auf Mitarbeiterführung bestimmt den einen oder anderen Tipp geben. Peer hatte bis spät in die Nacht einen Plan ausgearbeitet, wie er sein Team effizienter einsetzen konnte, und war neugierig auf Thamsens Meinung. Er fuhr über den Kanal und genoss die Aussicht. Wie gewöhnlich war das Tempo reduziert auf der Hochbrücke und die meisten Touristen fuhren sowieso langsamer, um einen Blick auf die Schiffe im Kanal zu werfen. Von hier oben hatte man eine herrliche Aussicht auf die künstlich geschaffene Verbindung zwischen Nord- und Ostsee. Seine Gedanken schweiften unweigerlich zu der Reederei, als er einen riesigen Kahn auf der schmalen Wasserstraße sah. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es nur ein Zufall war, durch den in dieser Reederei alle Fäden zusammenliefen. Das Investment in Dagebüll, Paul Schlüter und Heinrich Matzen. Da musste es einen Zusammenhang geben. Vielleicht hatten der Reeder und Harry Leibnitz zusammen den Mord an dem widerspenstigen Rentner geplant? Und Paul Schlüter hatte geholfen, ihn auszuführen. Immerhin litt auch die Freundin – oder welche Rolle diese Gisela auch im Leben des Exknackis spielte – ebenfalls an Diabetes. Schon seltsam, überlegte er, wie viele Leute allein in diesem Fall auf Insulin angewiesen waren. Bisher hatte er nie darüber nachgedacht, wie verbreitet diese Krankheit war. Ob auch einer der Reeder zuckerkrank war? Er schlug aufs Lenkrad. Danach hätte er Herrn Schneider fragen sollen. Selbst wenn die Brüder den Mord nicht begangen hatten, so waren sie ihrem Auftragskiller vielleicht bei der Besorgung der entsprechenden Hilfsmittel behilflich gewesen. Wie hatte er diese Möglichkeit nur übersehen können? Dieser Spur musste er gleich am Montag nachgehen. Endlich stoppte er seinen Wagen vor der Niebüller Polizeidienststelle. Am Wochenende gab es auch hier wie in Hamburg lediglich eine Notbesetzung, dementsprechend leer war der Parkplatz vor dem Gebäude. Er stieg aus und ging hinüber zum Eingang. Musste ein tolles Gefühl sein, hier der Chef zu sein. Peer war trotz seiner Leitungsfunktion in Hamburg nur eine kleine Nummer, aber Thamsen konnte stolz auf sich sein. Weiter konnte er es, zumindest hier, nicht bringen. Aber besonders aufregend stellte Peer sich den Job nicht vor. Der aktuelle Mordfall war sicherlich eine Ausnahme. Und sich den Rest der Zeit mit Einbrüchen, Körperverletzungen oder Trunkenheit am Steuer zu beschäftigen, stellte sich Nielsen nicht unbedingt prickelnd vor. Hatte alles immer seine Vor- und Nachteile. Am Empfang stand ein junger Kerl in Uniform und begrüßte ihn namentlich. Hier blieb nichts verborgen. Er klopfte kurz an Thamsens Büro, doch als er die Klinke hinunterdrückte, war abgeschlossen.
»Der Chef ist einen Raum weiter. Die sind noch am Phantombild dran«, rief der junge Polizist um die Ecke. Peer blickte sich ratlos um. In Hamburg hätte man einen Fremden, selbst wenn es sich um einen Polizeibeamten handelte, nicht mutterseelenallein durch die Flure wandern lassen. Er klopfte an die nächste Tür und hörte ein doppeltes Ja. Eng zusammen saßen vor einem Bildschirm Thamsen und ein weiterer Mann.
»Schick mir das zu und dann kannst du Feierabend machen«, sagte Dirk zu dem anderen, bevor er aufstand und Peer
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