Friesenrache
Schulterzucken oder Kopfnicken ergänzt wurde.
Schließlich machten sie kehrt und kamen zurück. Marlene atmete auf. Offenbar hatten die beiden eingesehen, dass ein Eindringen in das Haus des Ermordeten nicht ratsam war. Doch zu ihrem Erstaunen blieb Haie auf halber Strecke zum Wagen stehen, und Tom trat zu ihr an die Beifahrerseite. Er öffnete die Tür und erklärte, sie würden versuchen, durch den Hintereingang in das Haus zu gelangen.
»Du bleibst hier und stehst Schmiere«, wies er sie an, ohne sie nach ihrer Meinung zu dem geplanten Einbruch zu fragen. Die Männer waren sich mal wieder einig.
»Was versprecht ihr euch davon?«, versuchte sie ein letztes Mal, Tom von der Aktion abzubringen. »Die Polizei hat doch schon alles durchsucht.« Sie hielt das Vorgehen der beiden zwar nicht für gefährlich, vielmehr war es die Tatsache, sich strafbar zu machen, die Marlene zu der Überzeugung kommen ließ, dass es besser sei, umzukehren und die Suche nach Hinweisen auf den Mörder Kalli Carstensens dem Kommissar und seinen Kollegen zu überlassen.
»Aber vielleicht nicht gründlich genug. Oder sie haben etwas übersehen. Könnte doch durchaus sein. Das Haus ist groß. Da entgeht einem schnell was.«
Tom reizte ganz offensichtlich die Vorstellung, etwas Verbotenes zu tun. In ein fremdes Haus einzusteigen, in dem sich vor wenigen Tagen ein Mensch das Leben genommen hatte, in dem sich wahre Dramen abgespielt haben mussten, ließ kleine Schauer über seinen Rücken rieseln. Zumal tatsächlich die Möglichkeit bestand, auf etwas zu stoßen, das sie zu dem Mörder des ehemaligen Hausbesitzers führte. Er schlug die Beifahrertür zu und nahm ihr damit die Gelegenheit, weitere Einwände vorzubringen.
Marlene spürte wie eine heiße Welle langsam aber stetig in ihr aufstieg. Wobei das aufkeimende Gefühl mehr durch die Ignoranz der beiden Freunde gegenüber ihren vorgebrachten Argumenten, die sie nach wie vor für äußerst plausibel hielt, geschürt wurde als durch die Tatsache, dass Tom und Haie nun doch unerlaubterweise in das Haus eindringen wollten. Kurz überlegte sie, ob sie auf den Fahrersitz hinüberklettern und wegfahren sollte. Der Zündschlüssel steckte. Es wäre kein Problem, die beiden einfach sich selbst und ihrem verbotenen Treiben zu überlassen. Doch irgendetwas hielt sie zurück. Es war weniger die Sorge, dass die Männer bei ihrem ungesetzlichen Unterfangen überrascht werden könnten, als ihre eigene Neugierde auf das, worauf die Freunde womöglich bei ihrer illegalen Hausdurchsuchung stoßen würden. Aus diesem Grund rutschte sie auf dem Beifahrersitz etwas nach vorn und drehte den Rückspiegel so weit in ihre Richtung, bis sie eine gute Übersicht auf die hinter ihr liegende Hofeinfahrt hatte, während sie angespannt verfolgte, wie die beiden Männer um die rechte Hausecke herum verschwanden.
Irmtraud Carstensen schwieg, nachdem Thamsens Kollege das Büro wieder verlassen hatte. Anscheinend hatte der Mann, von dem die neuesten Erkenntnisse aus der kriminaltechnischen Untersuchung geliefert worden waren, sie erschreckt, und sie traute sich nicht mehr weiterzusprechen. Wahrscheinlich war ihr durch das Auftreten des Beamten plötzlich bewusst geworden, dass sie sich auf dem besten Weg befand, ihren Mann des Mordes an seinem Bruder zu beschuldigen. Oder aber sie hoffte, die Ergebnisse aus dem Labor würden aktuelle Hinweise enthalten, die ihre Familienangehörigen entlasteten. Das jedenfalls vermutete Thamsen, der davon ausging, die hagere Frau habe ihn an diesem Morgen mit der Absicht in seinem Büro aufgesucht, die Unschuld Ulf Carstensens zu bestätigen und gleichzeitig ihren eigenen Ehemann des Mordes an ihrem Schwager zu bezichtigen. Auch wenn sie dies nur angedeutet und nicht explizit geäußert hatte, aus dem, was Irmtraud Carstensen bisher kundgetan hatte, war unmissverständlich angeklungen, dass sie es für durchaus wahrscheinlich hielt, Friedhelm Carstensen könne etwas mit dem gewaltsamen Tod seines Bruders zu tun haben.
Doch sosehr Thamsen sich auch bemühte, das Gespräch exakt an dem abrupt unterbrochenen Punkt wieder aufzunehmen, sie schwieg beharrlich und äugte dabei immer wieder verstohlen auf die Unterlagen auf seinem Schreibtisch.
Schließlich gab er auf und blätterte flüchtig den Bericht aus dem Kieler Labor durch. Der DNA-Abgleich zwischen den Proben von Ulf Carstensen und den gefundenen Spuren an der Leiche hatte keinerlei Übereinstimmung
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