Friesenwut - Kriminalroman
dann jedoch nach rechts ganz abgekommen und in den Graben
gegen eine Pappel mit mächtigem Stamm gefahren sei.«
»Und?«
»Der Wagen soll – laut
Bericht – so um die 80, 90 Sachen drauf gehabt haben, als er mit voller
Wucht gegen den Baum prallte. Da lag nun ein Haufen Schrott, darin ein Fahrer,
der bei dem harten Aufprall gegen das Lenkrad gepresst wurde, Gurt hin, Gurt
her. Der Airbag war übrigens nicht funktionsfähig, das geht aus einer Bescheinigung
einer Emder Werkstatt hervor, die im Handschuhfach lag. Das war zwar auch
reichlich deformiert, aber die Papiere darin noch lesbar. Die Werkstatt hatte
aufgefordert, wegen des Airbag sobald wie möglich einen Termin zu machen. Hat
der Fahrzeuginhaber offenbar versäumt oder vergessen. Er hätte ihm sicher
geholfen, nun ist es zu spät. Zu dem Aufprall kam noch die zerberstende
Frontscheibe. Das Foto besagt eigentlich alles – der Fahrerraum war auf
fast ein Drittel komprimiert, na, sagen wir die Hälfte …«
»Ich schenke mir noch eine Tasse
Tee ein – möchtest du doch auch eine?«
»Danke, nein. Also, hör zu …«
»Ich höre zu!«
»Ja, klar, ich mein’ ja nur …
Irgendjemand hat diesen Unfall als Erster entdeckt. Den Toten gefunden und so
weiter. Das war – wie hieß der noch – mir ist der Name entfallen«,
Ulferts blätterte in einem Aktenordner, »genau, Klaas Meyer, Landwirt. Wohnt
nicht weit weg vom Unfallort und wollte frühmorgens seine Kühe von der Weide
zum Melken holen. Er bemerkte etwas querab von seinem Weg zur Weide Qualm, als
er sich der Straße mit seinem alten Fahrrad näherte. Da wurde ihm unbehaglich.
Er fuhr hin, sah das Auto, kombinierte, ließ das Rad liegen und rannte die
Böschung herunter, um zu sehen, ob er noch helfen konnte. Er sah den Fahrer,
blutüberströmt, wusste nicht, wie lange der Unfall her war, dachte an Hollywood
und bekam Panik, dass das Ganze gleich mit einer 100 Meter hohen Stichflamme in
die Luft fliegen könnte. Obwohl die wenigsten Unfallwagen explodieren, was
glaubt man nicht alles, wenn es einem oft genug in der Glotze vorgegaukelt wird
…«
»Komm’ mal zur Sache, Ulfert«,
Tanja Itzenga sah über den Rand der Tasse hinweg durchs Fenster auf die Bäume
und schlürfte gemächlich ihren Tee. Ulferts redete viel, doch sie wollte
Fakten.
»Also, Klaas Meyer bekam Panik und
rannte den Weg, den er gekommen war, wieder zurück. Schwang sich auf sein Rad
und fuhr nach Hause. Ließ seine Kühe erst einmal auf das heiß ersehnte Melken
warten und rief die Polizei und den Krankenwagen.«
»Ist doch in Ordnung. Diese Leute brauchen
wir! Ich kann nichts Ungewöhnliches daran entdecken«, stellte Itzenga fest.
»Ja, sicher. So weit ist alles
bestens. Doch nun wird’s spannend: Meyer trug Stiefel, Gummistiefel, und eine
dicke, graue oder grüne Jacke, so eine, ja, was weiß ich, so dicker Stoff, du
weißt schon … sehr robustes Material, wie es sich für einen ordentlichen
ostfriesischen Bauern gehört. Meyer hat zu Protokoll gegeben, er sei der Erste
gewesen am Unfallort, kein Zweifel, nur auf dem Weg zum Hof, als er Hilfe holen
wollte, sei er einem Nachbarn begegnet, ebenfalls ein Bauer, Hajen, Vorname
fällt mir gerade nicht ein. Der hat ihn gefragt, was dort los sei. Meyer hat
ihm erklärt, was passiert war und dass er Hilfe holen wolle. Sein Nachbar
erklärte, sie bräuchten nicht zu zweit gehen, einer reiche aus, also würde er
wieder nach Hause zurückkehren und bei der Polizei anrufen. Den Einsatz stören,
als Gaffer, wolle er nicht. Und wenn Hilfe gebraucht würde, sollten die sich
bei ihm melden.« Ulferts holte Luft. »Und nun gucke ich mir die Fotos und die
Dinge an, die am Unfallort gefunden oder uns von der Rechtsmedizin übergeben
wurden. Nichts, keine Idee. Plötzlich öffnet sich die Tür und Peter Dittmers
von der Spusi kommt rein, sagte ich ja schon. Er hält mir einen Fetzen Stoff
unter die Nase und meint: ›Das hier hing an der Tür des Unfallwagens. Scheint
von einem Kleidungsstück zu stammen. Vermutlich das Innenfutter einer Jacke,
ziemlich dick, gut für die Jahreszeit. Ist womöglich wichtig.‹ Ich habe erst
nicht viel darauf gegeben, dann jedoch veranlasst, dass man den Stofffetzen
untersucht und herausbekommt, wie er an die Tür des kaputten Autos gekommen
ist – also Überprüfung all derjenigen, die in der Nähe des Unfallwagens
waren.« Ulferts machte eine vielsagende Pause.
»Und?«, fragte die
Hauptkommissarin, da Ulferts ihr allzu lange
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