Friesenwut - Kriminalroman
will
ich die Zusage von Eilsen. Du hast ja schon ganz gut vorbereitet.«
»Ganz gut … na immerhin.«
Tanja Itzenga sah ihren Kollegen
an. Er ist knuffig, manchmal wie ein Teddybär, dachte die Hauptkommissarin.
»Mal sehen, man weiß nie, was
dabei herauskommt«, sagte sie und verließ den Raum. Ulfert Ulferts setzte sich
in ihren Schreibtischstuhl. Er schenkte sich in ihre Tasse Tee ein, trank ihn
erst hastig, dann langsamer und lehnte sich schließlich zurück. Er schloss die
Augen. Zwei Minuten später schlief er ein, während die Sonne ihm gerade einige
ihrer noch warmen Strahlen mitten ins Gesicht schickte.
12
»Und? Was gibt es
Neues?«, fragte Hauptkommissarin Itzenga den Rechtsmediziner Jens Barkowski,
der telefonisch aus seinen Kellergewölben um Audienz gebeten hatte.
»Einiges, sonst wäre ich nicht
hier«, sagte er. Barkowski wirkte ein wenig aufgeregt. Er war der Star der
Rechtsmedizin. Aufgrund seines Spürsinns hatte er manche Hypothese über
Todesursachen über den Haufen werfen können und für erstaunte Gesichter
gesorgt, wenn er nachwies, dass alles ganz anders verlaufen sein musste, weil …
Manchmal wurde er, wenn die Zeit es zuließ oder die Toten friedlich in ihren
Kühlfächern schlummerten, zur Untersuchung Schwerverletzter gerufen. Er hatte
einen siebten Sinn, sah die Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Da er wusste,
wozu harmlos wirkende Menschen fähig waren und wie sich dies, vermeintlich
unbemerkt, auf das Bild der äußeren und inneren Verletzungen auswirken konnte,
kombinierte er mitunter ganz anders als seine Kollegen. Das konnte zu neuen
Sichtweisen und Indizien führen. Wenn die Recherchen nicht weiterführten, wurde
deshalb gern Barkowski zurate gezogen. Der hatte immer eine Idee, und wenn sie
noch so unwahrscheinlich war. Außerdem war er ein zwar umständlicher, aber
netter Kerl. Manches Mal hatte er das eine oder andere Detail entdeckt, das
ansonsten angesichts von
24-Stunden-Schichten in deutschen Krankenhäusern, die trotz – oder gerade
wegen – so mancher Gesundheitsreform unter Personalmangel litten,
vielleicht unter den Tisch gefallen wäre. Diesmal hatte er sich von sich aus
gemeldet.
»Bitte«, Tanja Itzenga zeigte auf
den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und Barkowski setzte sich.
»Also«, begann er, »es geht noch
mal um den Autounfall in der Krummhörn, zwischen Schoonorth und Wirdum, Sie
wissen schon.«
»Klar, der Mann in dem total
zerstörten Porsche«, fügte Itzenga hinzu, die nicht ganz bei der Sache zu sein
schien.
»Ja, der. Der Fahrer hat extrem
schwere Verletzungen davongetragen, innerliche und äußerliche.«
»Das ist nichts Neues, Herr
Barkowski. Mein Kollege hat den Verunfallten vor Ort gesehen, und wenn Ulferts
schon sagt, es sei kein schöner Anblick gewesen, dann kann ich mir ungefähr
vorstellen, wie er aussah. Ulferts hat schon viele Schwerverletzte und Tote
gesehen, und oft wurde mit ihnen nicht zimperlich umgegangen. Ich frage mich
immer, wie Sie es im Keller mit all den Toten aushalten.«
»Man gewöhnt sich daran. Da sie ihr
Leben ausgehaucht haben, sind sie für mich Untersuchungsobjekte«, er überlegte
ein paar Sekunden, »na, meistens jedenfalls. Ich wollte Ihnen etwas anderes
sagen. Auf Ihr Geheiß haben wir den Unfallfahrer genauestens untersucht. Ich
war extra bei den Kollegen, er liegt ja nicht bei mir, ich meine, warum auch,
sondern ist zwecks …«
»Ich weiß, Herr Barkowski, ich
weiß. Kommen Sie bitte zur Sache!«
Wieder machte Barkowski eine
Pause, sah erst nach unten, dann der Hauptkommissarin in die Augen: »Warum
eigentlich das Ganze?«
»Herr Barkowski, das
darf ich Ihnen nicht so einfach auf die Nase binden. Wir haben zahlreiche
Indizien. Sie sind Arzt und Rechtsmediziner, Sie können sozusagen beides, mit
Lebenden und mit Toten … umgehen. Und Ihr Ruf hallt ja weit über Ihren Keller
hinaus, man schätzt Sie sehr im Kreis derjenigen, die versuchen, Halbtote
wieder zum Leben zu erwecken«, Itzenga sah ihn freundlich an, was Barkowski zu
freuen schien. Sie ergänzte: »Schließlich können die Ärzte ja mal etwas
übersehen, oder? Ich finde es immer gut, wenn Dinge mehrfach überprüft werden –
von verschiedenen Experten. War gar nicht so einfach, den Termin
anzuberaumen – die Ärzte hatten durchweg keine Zeit und größte Bedenken
wegen einer weiteren Untersuchung, zumal von jemandem, der gar nicht aus ihrem
Hause kommt.«
»Ach, viele kennen mich. Sie
denken immer, ich wäre so
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