Friesenwut - Kriminalroman
eine Art Gutachter, der prüft, ob sie ihre Arbeit gut
machen. Mit dem Großteil verstehe ich mich prima. Außerdem ist’s ganz
interessant dort, immerhin leben die meisten Patienten im Krankenhaus, ist mal
was anderes …«, Barkowski stieß einen kurzen Lacher aus, wurde schnell wieder
ernst: »Also, die Verletzungen sind deutlich, die Ursachen ebenfalls. Aber ein
Detail gibt mir zu denken. Könnte man leicht übersehen angesichts der vielen
Wunden, Kratzer und was weiß ich.«
»Könnten Sie ein kleines bisschen
konkreter werden?«
»Ja, sicher. Also, der Fahrer,
seine Lage nach dem Unfall, die Verletzungen, ich sagte es ja schon, das alles
passt, da gibt es nichts zu deuteln. Eine eindeutige Diagnose …«
»Herr Barkowski, bitte«, es war
nicht schwer zu bemerken, dass der Mann mitunter Probleme hatte, auf den Punkt
zu kommen.
»Mir ist an seinem Hals etwas
aufgefallen. Es gibt dort ungewöhnliche Druckstellen. Durch den Aufprall war
der ganze Hals blau verfärbt, weshalb man sie leicht übersehen konnte. Gewisse
Farbnuancen entwickeln sich erst mit der Zeit. Das ist nicht unnormal. Denken
Sie mal an einen blauen Fleck, den Sie über die Tage hinweg beobachten; da gibt
es die schönsten Blau- und Grüntöne …«
Tanja Itzenga unterbrach ihn:
»Lassen wir meine Blutergüsse mal außen vor!«
»Ja, klar, ich wollte nur einen
Vergleich anführen, zum besseren Verständnis. Ich habe noch mal genauer
hingeschaut. Und mich gefragt, ob diese Hämatome unterschiedlichen Ursprungs
sein könnten.«
»Und?«
»Ich denke, das könnten sie. Habe
mir die Röntgenaufnahmen und Ergebnisse der Untersuchungen der inneren Organe
intensiv angeguckt. Das Seltsame an der Sache ist …« Barkowski hielt inne.
»Nun?«, drängte Itzenga.
»Das Seltsame, Frau
Hauptkommissarin, ist, dass ich mir aufgrund des Unfallhergangs keinen Reim
darauf machen kann, woher einige dieser Blutergüsse stammen. Aber …«
Wieder eine Pause.
»Was, aber?« Itzenga verzweifelte
an der Art dieses Mannes. Warum sagte er nicht einfach klipp und klar, was
Sache war?
»Es könnte sein, dass der
ausgeübte Druck auf die Halsschlagader, ja, also, es sieht fast so aus …Ich
meine, es ist kein Beweis …«
»Dass jemand nachgeholfen hat?«
Tanja Itzenga setzte sich aufrecht hin und sah den Rechtsmediziner plötzlich
mit aller Schärfe an. Das war es, was Barkowski so umständlich zu sagen
versuchte! In seiner These steckte reichlich Zündstoff – vermutlich
deshalb sein Zögern.
»Ja, genau. Das ist jedoch nur
eine Vermutung. So ganz unter uns, Frau Itzenga, gerichtsverwertbar ist es
nicht, dafür müssen wir erst genauere Untersuchungen anstellen, auch von innen,
sozusagen. Eine Fremdeinwirkung ist jedoch nicht auszuschließen. Ein Teil der
Hämatome passen ins typische Bild, das sich ergibt, wenn ein Körperteil schnell
und mit hohem Druck auf einen harten Gegenstand stößt. Doch einige der
Blutergüsse weisen eher auf einen länger anhaltenden Druck hin – der nicht
mit der Position des Unfallopfers zusammenpasst. Nach der Rekonstruktion des
Unfallhergangs gab es nichts, was langanhaltend auf die Halsschlagader gedrückt
haben könnte. Das Verletzungsbild zeigt dennoch eindeutig, dass es so gewesen
sein muss. Nicht stoßartig, etwa beim Aufprall auf das Steuerrad, sondern etwas
… zudem …«
»Nun?«
»Also, um es kurz zu machen: Ich
glaube, dass da Menschenhände zugedrückt haben!«
Für einen Moment verschlug es Frau
Itzenga die Sprache. Fast ungläubig starrte sie Barkowski an. Dann fand sie zur
Sprache zurück: »Haben Sie Ihre Vermutungen den anderen Ärzten mitgeteilt?«
»Ja sicher, ausgewählten,
natürlich. Einige sind nicht groß darauf eingegangen. Sie haben das alles in
die gleiche Kategorie sortiert. Andere haben zugestimmt. Dr. Michels zum
Beispiel, wir kennen uns schon lange.«
»Er hat Sie bestätigt?«
»So ist es.«
»Das ist hochinteressant, Herr
Barkowski, wirklich, tolle Arbeit«, lobte Tanja Itzenga, und es war ehrlich
gemeint. Barkowski war für einen Moment baff. So offenes Lob gab es selten in
diesem Laden, und dann noch verbunden mit einem derart reizenden Lächeln. Wenn
etwas gut lief, sagte keiner etwas. Wenn etwas schiefging, wusste es am
nächsten Tag die gesamte Polizeidirektion Aurichs.
»Sie können sich denken, dass wir
eine konkrete Spur verfolgen. Wann kann ich mit sicheren Ergebnissen rechnen?«
»So in ein, zwei Tagen. Ich würde
gern ein weiteres Gespräch mit dem Chefarzt führen.
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