Friesenwut - Kriminalroman
gezeigt hatte, dass er sie mochte,
sehr mochte.
»Ach«, wischte er diese
Gedanken weg und fuhr fort: »Wir kommen so nicht weiter. Wir brauchen
Informationen. Wer hat in der besagten Nacht etwas gesehen oder gehört in der Nähe
des Unfallortes? Wer hat zuletzt mit Aldenhoff gesprochen? Wer mit Freya
Reemts? Wo waren die beiden kurz zuvor und warum? Waren sie gemeinsam
unterwegs? Wieso trafen sie ausgerechnet an der Kreuzung zusammen, sie mit dem
Rad, er mit dem Auto? Warum hat er sie von der Straße gedrängt? Zufall? Einfach
zu schnell gewesen, eben doch nicht Michael Schumacher am Steuer …? Oder
Absicht? Oder war’s am Ende jemand anders? Wie war das Verhältnis zwischen
Aldenhoff und Reemts wirklich? Gab es Konkurrenten? Mann, so hübsch, wie die
Reemts ist. Ein ostfriesisches Bauernmädchen, wie es im Buche steht. Klarer
Gegenbeweis für die Passage in dem Hannes-Flesner-Lied › … da, wo die Kühe schöner sind als die Mädchen …‹« Ulferts
hielt kurz inne und Tanja Itzenga sah ihn etwas verdutzt an. Der Polizist
kümmerte sich nicht darum und setzte wieder an: »Davon mal abgesehen: Wir
müssen wissen, worüber sie, also Freya Reemts, mit wem gesprochen hat. Gab es
irgendetwas Unvorhergesehenes? Gibt es Personen, die wir noch gar nicht in den
Untersuchungen berücksichtigt haben? Und so weiter und so fort. Das wird
haarig, weißt du? Ich weiß jedenfalls viel zu wenig. Es passt einfach nicht
zusammen.«
»Das ist unser Job, Ulfert, da
müssen wir durch, nützt nix«, Tanja Itzenga machte einen gut gelaunten Eindruck
und ihr Pferdeschwanz tänzelte fröhlich hin und her, als sie sich schwungvoll
an ihren Schreibtisch setzte. Ulferts atmete tief durch.
»Ich weiß. Unser Job.
Geht klar. Wo sollen wir also ansetzen? Soll ich mich weiter mit Freya Reemts
beschäftigen? Wie geht es der eigentlich?«
»Ihr Zustand ist stabil, sie liegt
jedoch nach wie vor im Koma«, merkte Itzenga an und blätterte durch eine Akte.
Ulferts wunderte sich immer wieder darüber, wie seine Chefin mitunter ganz
lapidar über Leichen, Schwerverletzte, Entführte oder halb Tote sprach. Als
Mann, na klar, aber als Frau? Oder irrte er damit mal wieder in seinem
Weltbild? Kam ja vor, wie er sich eingestehen musste.
»Ich ermittle im Umfeld von Freya
Reemts, und du …«
»Hast du das weitere Vorgehen
schon geplant?« Tanja Itzenga sah von der Akte auf und ihn erneut unmittelbar
und direkt an. Ulfert wusste, jetzt musste er das Richtige sagen.
»Nein, Tanja, ich hatte mir das
nur so gedacht. Natürlich soll nichts ohne dein Einverständnis geschehen.« Er
sah sie an wie ein treuer Hund sein Frauchen.
»Das will ich meinen!«, pfiff sie
zurück. »Die Polizei ist hierarchisch geordnet, Herr Ulferts, und ich bin Ihre
Vorgesetzte!«
»Selbstverständlich, jawohl.«
Beide lachten.
»Gut«, setzte die Hauptkommissarin
das Gespräch fort. »Du holst alles Wissenswerte über Freya Reemts ein, wo sie
an dem Abend gewesen ist, wer mit ihr gesprochen hat und so weiter und so fort.
Mit wem war sie befreundet? Mit wem hatte sie überhaupt Umgang? Warum fährt sie
mitten in der Nacht über einsame Landstraßen? Hat sie sich mit jemandem
gestritten? Wie gut kannte sie Aldenhoff wirklich, und, und, und …«
»So ähnlich hätte ich die Sache
wohl begonnen«, gab Ulferts gespielt gekränkt zurück. Er war kein Anfänger
mehr, nach 18 Jahren bei der Kripo.
»Entschuldigung Ulfert, du kennst
mich ja, manchmal …«
Er warf ihr einen warmen Blick zu.
»Schon gut. Hast alles im Griff.
So muss das sein, Tanja.«
»Ich recherchiere weiter, was
Aldenhoff betrifft. Oder besser, ich folge der Spur, die er hinterlassen hat.
Habe heute Nachmittag einen Termin in der Bank, zu der Aldenhoffs Filiale
gehört.«
»Wir müssen vor allem wissen,
warum er mitten in der Nacht unterwegs war. Woher kam er? Hat er sich eventuell
vorher mit Kollegen getroffen?«
»Und wie kann es sein, dass Freya
Reemts und Alex Aldenhoff gleichzeitig dort rumschwirren? Sie mit dem Rad, er
mit dem Auto. Ist doch ein seltsamer Zufall, oder? Übrigens ist nachgewiesen,
dass Aldenhoff sie in den Graben bugsiert hat. Die Spusi hat eindeutige
Hinweise gefunden.«
»Davon bin ich ausgegangen. Eine
Verurteilung braucht Aldenhoff ohnehin nicht mehr zu fürchten. Und danach? Gibt
es etwas Neues, warum er in den Graben gefahren ist?«
»Nein.«
»Wie hoch war sein Alkoholpegel?«
»Nicht hoch, 0,7 Promille, so um
den Dreh. Wenn man bedenkt, dass das früher
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