Frisch geküsst, ist halb gewonnen
sie schwer auf seinen Schultern, zogen ihn selbst zur hellsten Stunde des Tages herunter in ihre Dunkelheit.
Izzy würde das gefallen – ihre Hoffnung, dass seine Albträume ihn den Rest seines Lebens heimsuchten, war in Erfüllung gegangen. Sie kamen jede Nacht und waren schlimmer als jemals zuvor. Denn jetzt war sie bei ihm. Gefesselt, gefoltert. Seine Augen waren nicht verbunden, stattdessen trug er einen Knebel. Er konnte sehen, wie sie mit ihren glänzenden Messern auf sie zukamen, aber er konnte ihr nicht helfen oder mit ihr sprechen. Er konnte es nur ertragen, Stunde um Stunde, um dann in Schweiß gebadet aufzuwachen, mit dem Tode kämpfend, verzweifelt versuchend zu fliehen.
Er hielt es nicht mehr aus. Zum ersten Mal in seinem Leben verstand er, wieso Menschen sich in den Wahnsinn flüchteten. Nichts war es wert, solche Nächte durchleben zu müssen.
Aber die Albträume waren gar nicht das Schlimmste. Wach zu sein, sie zu vermissen, sie zu wollen und gleichzeitig zu wissen, dass er sie für immer verloren hatte, war eine viel größere Folter. Er atmete den Schmerz, und es gab keine Erlösung.
In der Tür zu seinem Büro blieb er stehen. Er hatte keine Lust auf den Papierkram, der auf ihn wartete. Stirnrunzelnd lauschte er. Ein bekanntes Auto fuhr vor. Sekunden später kam Aaron ins Haus.
„Ich dachte, du seist für immer fort“, sagte Nick. „Du bist einfach weggegangen.“
„Ich bin nicht deinetwegen hier“, sagte Aaron. Er lächelte nicht und sah auch nicht besonders glücklich aus, wieder hier zu sein. „Ich bin hier, weil drei Kinder kommen. Sie haben genug durchgemacht und es verdient, eine schöne Zeit zu verbringen. Jetzt wirst du mir vermutlich sagen, dass du keine Hilfe brauchst.“
„Doch. Ohne dich schaffe ich das nicht“, sagte Nick. „Danke, dass du gekommen bist.“
Aaron starrte ihn an. „Ich habe so viel mehr von dir erwartet, Nick. Du bist der Mann, der mein Leben gerettet hat, und dafür werde ich dir immer dankbar sein. Du warst mein Held.“
Die Betonung liegt eindeutig auf der Vergangenheitsform, dachte Nick grimmig. Er fühlte sich elend. „Aaron, es tut mir so leid.“
„Was? Dass ich mich schlecht fühle oder was du Izzy angetan hast? Ich habe dir vertraut. Stell dir mal vor, wie lächerlich ich mich jetzt fühle, nachdem ich weiß, was du mit Izzy gemacht hast. Sie hat das nicht verdient. So ein Mensch bist du nicht.“
Es hatte keinen Zweck, sich zu verteidigen. „Ich weiß.“
„Sie liebt dich.“
Mehr Messer. Diese hier schnitten bis auf den Knochen, ohne dass er zu bluten anfing. „Ich weiß nichts davon, dass sie …“
„Hör einfach auf“, unterbrach Aaron ihn. „Sie liebt dich, und du hast sie hintergangen. Ich bin mir sicher, dass du dir einredest, es wäre nur zu ihrem Besten. Dass du niemals der Mann sein könntest, den sie verdient hat, oder was auch immer du sagen musst, damit du dich noch im Spiegel anschauen kannst.“
Aaron trat einen Schritt näher. Sein Gesichtsausdruck war unendlich traurig. „Hier ist der Teil, den ich nicht verstehe: Sie war gut für dich. Sie hat dich verstanden und trotzdem geliebt. Weißt du eigentlich, wie selten das ist? Wie besonders? Aber dir ist das egal. Alles, was du willst, ist, dich schuldig zu fühlen. Es gefällt dir, dich in der Vergangenheit zu verstecken – es bewahrt dich davor, das Risiko einer Zukunft einzugehen. Du bestrafst nicht dich. Du büßt nicht. Du nimmst lediglich den einfachen Weg.“
Nick hielt seinen Ärger im Zaum. „Du weißt überhaupt nicht, wovon du redest.“
„Doch, das tue ich, und genau das erträgst du nicht. Es ist wie mit dieser Ranch. Du willst alles alleine machen, aber das kannst du nicht. Du brauchst uns. So wie du Izzy brauchst. Nur würdest du das niemals zugeben. Du denkst, dir ist es nicht erlaubt, jemanden zu lieben, oder es macht dich schwach. Weißt du was? Du liegst falsch. Liebe ist das Einzige, was uns stark macht. Sie ist alles, was am Ende zählt. Wen wir lieben und wer uns liebt.“
Er hielt inne und atmete tief ein. „Ich kenne nicht alle Geheimnisse aus deiner Vergangenheit. Ich weiß nicht, wovor du davonläufst. Was ich allerdings weiß, ist, dass du niemals entkommen kannst, wenn du dich versteckst. Dann wirst du nie das finden, was du brauchst. Du wirst nur jeden um dich herum zerstören. Helden tun so etwas nicht.“
Nick trat beiseite, als Aaron an ihm vorbeidrängte. Dann ging er in sein Büro und schloss die Tür.
Aarons Worte
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