Frisch gemacht!
schneide ich am besten aus«. Thea ist eine der Frauen, die öffentliche Auftritte lieben. Leider hat’s für die große Bühne nicht gelangt, deshalb konzentriert sich Thea auf Elternabende, Laternenumzüge und Basare jeder Art. Natürlich könnte mir Thea vollkommen schnuppe sein, aber dummerweise hat sich meine Claudia ihre Belinda als Freundin ausgeguckt. Das bedeutet zwangsläufig Kontakt. Wenigstens organisatorischer Art. Wer geht zu wem spielen, und wer holt wen wann wieder wo ab? Thea ist es lieber, die Kinder treffen sich bei ihr. Mir eigentlich auch. Das, was Thea nachmittags an Programm bietet, würde den gesamten Animationsstab vom Robinson Club in Depressionen stürzen. Von Kastanienmännchen bis Knetschildkröten, Kerzenhaltern und Batikarbeiten – Claudia bringt von jedem Ausflug zu Belinda irgendwas mit. Ein Kleinkunstwerk, mit dem ich dann, wenigstens für die nächsten Tage, die Wohnung dekorieren muss. Alles aufzuheben ist unmöglich, schließlich leben wir in einer Wohnung und nicht in einer 27 -Zimmer-Villa. Bei Thea zu Hause sieht es aus wie in einem Kinderkleinkunstmuseum. Jeder Raum ihrer Wohnung ist voll mit dem Kram. Tannenzapfenmännchen,
Fingerfarbentapeten, das Ganze wirkt wie ein Mammutsetzkasten. Dazu kommt: Thea hat alles, was ein Bastelgroßmarkt hergibt. Es gibt kein Zimmer, in dem nicht Tonnen von Spielzeug herumliegen. Man hat das Gefühl, in einer TOYS "Я" US -Filiale zu sein. Ich habe mir mal den Knöchel verstaucht, weil ich über ein Legogebilde in Theas Gästeklo gefallen bin. Thea war das kein Stück peinlich, denn sie findet, Kinder brauchen ausreichend Input. Um Kreativität zu entwickeln. Phantasievolle Menschen zu werden. Ich finde, Kinder haben ein Kinderzimmer und können auch dort Kreativität entwickeln. Im Klo kann’s auch mal ohne Kreativität gehen. Sogar ohne Lego. Und ohne permanente Bespielung durch die Mutter.
Außerdem: Habe nicht auch ich, als erwachsener Mensch, ein Recht auf Räumlichkeiten ohne Barbies, Playmobil und Kuscheltiere? Müssen Kaufladen und Bobbycar mitten im Wohnzimmer stehen, damit man als Mutter sein Plansoll erfüllt und die lieben Kleinen zu glücklichen Menschen heranwachsen?
Wenn Belinda bei uns ist, ist sie jedes Mal regelrecht verstört. So, wie wenn man einem Fernsehjunkie nicht nur die Fernbedienung, sondern gleich den ganzen Apparat wegnimmt. Sie ist es gewohnt, unterhalten zu werden. Eine Mutter wie ich, die sagt: »Geht in Claudias Zimmer und spielt was Schönes«, ist ihr fremd. Unheimlich. Auch Claudia spielt lieber bei Belinda. Natürlich beschämt mich das, aber ehrlich gesagt, nur ein ganz klein bisschen. Ich bin froh, wenn Claudia ihre Basteldefizite anderswo aufarbeiten kann. Thea, eine Art lebendes Kasperletheater, ist auch froh, wenn die Kinder unter ihrer Obhut sind. Meine
Adresse gilt als Synonym für intellektuelles Verwahrlosen. Was schon leicht übertrieben ist: Schließlich putze ich Nasen und Hintern, reiche Kekse und Apfelsaftschorle und spiele sogar gelegentlich Memory oder Schneckenrennen.
Thea wäre normalerweise um die Zeit nicht im Kindergarten. Ihre Belinda bleibt nicht über Mittag. »Man sollte Erziehung nicht ständig delegieren« ist ihre Begründung. Und: »Wer A sagt und Kinder kriegt, muss auch B sagen und sich dann auch ausreichend kümmern.« Ich glaube nicht, dass Claudia das Mittagessen im Kindergarten schadet. Im Gegenteil. Wer je bei mir gegessen hat, wird sofort verstehen, was ich meine. »Was machst du denn hier?«, frage ich Thea. Unter Müttern wird geduzt. Selbst unter solchen, die so wenig gemein haben wie Obermutti Thea und ich. »Ich musste noch die letzten Besprechungen mit den Erzieherinnen wegen des Flohmarkts halten«, erklärt sie mir mit wichtiger Miene. Staatstragend. Man könnte meinen, sie plant den gesamten Hessentag oder die Bundesgartenschau. »Aha«, antworte ich mäßig interessiert. Das hat als Reaktion gelangt. Jetzt aber, Ihr Auftritt, Frau Thea: »Die Tische werden in Hufeisenform aufgebaut, und jeder zahlt pro Tisch fünf Euro. Und einen Kuchen. Ich mache Smartievollkornmuffins, und sag mal, Andrea, hast du dich eigentlich schon auf der Liste eingetragen?« Eine heikle Frage. Die Listen, die im Kindergarten ausgehängt werden, sind Teil eines groß angelegten Mütterwettkampfes. Thea steht jedes Mal als Oberste drauf. Ganz Eifrige schreiben dann in die Kuchenliste noch rein, welches Prachtmodell sie spendieren. Himbeer-Sahne-Baiser oder
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