Frisch gemacht!
schon durchschlafen, alle machen das«, lautet seine Wahnsinns-Analyse. Sehr clever. Nur wann ist irgendwann – und werde ich den Tag beziehungsweise die Nacht erleben oder dann längst in einer beliebigen Psychiatrie voll mit Valium vor mich hin dämmern, aber dafür wenigstens in Ruhe schlafen?
Das Schlimmste ist, dass ich mir selbst gehörig auf den Nerv gehe. Mich unausstehlich finde.
Nach acht Wochen ist alles besser. Christoph hat trotz Unwissen Recht gehabt. Claudia schläft sechs bis sieben Stunden am Stück, und ich habe das Gefühl, wieder geboren zu sein. Bin ein neuer Mensch. Selbst Claudias Blähungen können mich nicht aus dem Konzept bringen. Ich gebe Saab Simplex, koche Fencheltee, der so fies riecht, dass mir sofort jegliche Blähungen vergehen würden, und massiere den kleinen harten Bauch. Den Knaller aber landet Inge, meine Quasischwiegermutter. Mit einem herzhaften »Lass
misch ema ran« schnappt sie sich meine blähungsgebeutelte Claudia, das lebende Furzkissen, und legt sie auf die Wickelkommode. »So«, sagt sie, »jetzt her mit deim Fieberthermometer.« Ich reiche an. »Was soll en des sein?«, fragt mich Inge überrascht. Ich bin stolze Besitzerin eines dieser modernen Modelle. Fürs Ohr. Die sanfte Variante des Fiebermessens. Inge grummelt was von wegen »Hab isch mir eh gedacht«, und holt aus ihrer Handtasche ein klassisches Quecksilberteil. So wie aus meiner Jugend. »Das hatte schon de Christoph hinne drin gehabt, un jetzt guck ema gut hin. Du nimmst des Thermometer, machst Creme druf und schiebst es in den Popes enei. Aber nur en ganz klaa Stückche. Guck, so etwa. Un jetzt zart hin und herbewesche.« Ich bin unschlüssig. Leicht entsetzt. Wird das nicht zu einer analen Fixierung führen? Kann Claudia dann auch später nur noch pupsen, wenn ihr jemand was in den Po steckt? Wird sie das sexuell irgendwie festlegen? »Hast du das mit Christoph tatsächlich auch gemacht?«, erkundige ich mich nochmal vorsorglich. Schließlich kenne ich dessen sexuellen Neigungen und die sind, jedenfalls soweit ich sie bisher genossen habe, eher gutbürgerlich, eigentlich normal. »Lass mich ema mache«, schiebt sie mich zur Seite, und los geht’s.
Ein Geknatter wie bei einem Mofafehlstart. Als würde man aus einer Luftmatratze die Luft rauslassen. Phantastisch. Es wirkt. Inge kriegt einen Schmatz auf die Wange, und anale Fixierungen sind mir jetzt erst mal egal. Manchmal sind Probleme leichter zu lösen, als man gemeinhin denkt.
Claudia hat so pupsfrei eine gute Zeit. Und ich dadurch auch. »Nur ein müdes Kind ist ein gutes Kind«, hat mein
Vater oft mal im Scherz gesagt. Aber auch ein waches kann Spaß machen. Ich fange an, mein Dasein wieder zu genießen. Mutter sein ist doch besser, als in der Anfangsphase erahnt. Claudia strahlt mich immer häufiger zahnlos an, und ich werde so langsam wieder zum Mensch. Ich bin gern Mutter.
Donnerstag, 5 . 30 Uhr
Claudia jammert und ist schon wieder richtig warm. 38 , 5 Grad Fieber. Das macht mir keinen guten Eindruck. Sie ist quengelig. Hat Durst. Und Kopfweh. Und in dreieinhalb Stunden muss ich im Büro sitzen. Der Donnerstag ist ein wichtiger Tag. Sendeabläufe werden festgelegt, Pläne getippt, vervielfältigt und Durchgänge geprobt. Freitag ist dann Generalprobe mit Statisten. Fehlen am Donnerstag ist mehr als ungünstig. Eigentlich geradezu ausgeschlossen.
»Christoph, wach endlich auf. Die Claudia kränkelt. Kannst du heute ausnahmsweise daheim bleiben und aufpassen. Einen freien Tag nehmen?« Der Mann neben mir, der eben noch wie tot dagelegen hat, setzt sich abrupt auf. »Wie, zu Hause bleiben, sag mal spinnst du, Andrea. Ich bin berufstätig. Ich habe eine Aufgabe.« Er macht ein Gesicht, als hätte ich ihm vorgeschlagen, auf dem Mond frische Brötchen zu besorgen. Guten Morgen, Gleichberechtigung. Hallo, Emanzipation. Auf Wiedersehen, neue Männer. Willkommen in den Fünfzigern.
Über die kranke Claudia hinweg fangen wir das Zanken an. »Du bist ein erbärmlicher Egozentriker. Lässt deine schwer kranke Tochter hier liegen, nur um Gehorsam am Arbeitsplatz zu demonstrieren«, fahre ich die ersten Geschütze auf. »Gleichfalls«, ist sein wenig orgineller Konter. »Andrea«, beschwört er mich dann schon eindringlicher, »deine Fernsehkumpels werden ja mal einen kleinen Vormittag auf dich verzichten können, wir bereiten heute ein
Plädoyer vor. Wie soll ich da fehlen? Nimm dir einfach einen halben Tag frei.« Er schnappt sich Claudia und
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