Frisch gemacht!
ihn. Ein halbes Jahr kann in dem Alter entscheidend sein. Vor allem ist es ein Alter, in dem man stolz drauf ist, älter zu sein als die anderen. »Jüngere Männer sind im Trend«, sage ich Claudia, »am besten, du gewöhnst dich frühzeitig dran.«
Es wird ein herrlicher Nachmittag. Alle Viertelstunde Geschrei. Von Claudia. Finn hat die falsche Barbie, will, wie ungeheuerlich, selbst bestimmen, was seine Barbie spricht, und gibt auch nicht nach. So weit her ist es mit seinen weiblichen Anteilen wohl doch nicht. Manche Kinderkombinationen funktionieren einfach nicht. Zeigen sofort Unverträglichkeitsspuren. Aber warum Erwachsene immer denken: »Ihr seid doch in einem Alter, also vertragt euch recht schön«, ist mir eh ein Rätsel. Schon früher habe ich Besuche von Freunden meiner Eltern gehasst. Besonders wenn sie Kinder hatten. Nur weil Eltern Freunde sind, müssen sich die Kinder doch nicht lieben. Ich habe Wochenenden mit der bekloppten lahmarschigen Pamela verbracht, nur weil sie zufällig die Tochter von Klaus und Jutta war. Klaus und Jutta sind die ältesten Freunde meiner Eltern. Kennen sich aus der Tanzstunde. Ihre Tochter habe ich auf Anhieb nicht leiden können. Und sie mich auch nicht. Boh, was war die blöd. Ist sie bestimmt immer noch.
So blöd, wie die war, kann sich das selbst in Jahrzehnten nicht verwachsen. Streber-Pamela. Zöpfchen, ordentliche Fingernägel und ein Superzeugnis. Immer brav. Ein echtes Vorzeigekind. Unvergesslich unsere zahlreichen Spaziergänge, bei denen Mama und Papa munter plaudernd mit Jutta und Klaus durch den Wald gezogen sind und Pamela und ich wie frisch zum Tode Verurteilte hinterher. Schweigend. Überhaupt spazieren gehen. Mein persönlicher Superhorror. Mit zwölf hat man keine Lust mehr, Tannenzapfen zu sammeln, und kann auch Ameisenhügeln und kleinen Bächen nicht mehr viel abgewinnen.
»Niemals werde ich meine Kinder zu so was Furzlangweiligem zwingen«, habe ich damals gedacht. Die dürfen machen, was sie wollen.
Heute gehen wir am Wochenende auch gern mal ein Ründchen. Man wird seine Meinung ja mal ändern dürfen. Ein bisschen Frischluft hat noch keinem Kind geschadet, und ich habe es ja auch überlebt. Letztlich bleibt man halt doch das Kind seiner Eltern. Manchmal rede ich sogar schon ähnlich wie meine Mutter.
Und noch mag Claudia Spaziergänge auch recht gern. Kann Tannenzapfen und Schleimschnecken einiges abgewinnen.
Aber Finn immer weniger.
Claudia haut ihm mit ihrer Glitzerbarbie auf den Kopf. Finn schreit, Claudia auch, weil die Krone der Barbie den Kopf von Finn leider nicht überlebt hat. Er zerreißt zu allem Überfluss auch noch den Prinzessinnenschleier. Dafür beißt ihn Claudia in den Unterarm. Ich hätte große Lust, beiden ein paar zu scheuern, entscheide mich dann aber
dafür, sie vor dem Fernseher zu parken. Manchmal gibt es keinen besseren Ausweg. Biene Maja stimmt das Monsterpärchen wieder etwas versöhnlicher. Um halb sieben fahre ich Finn heim. In den Frisörsalon. Lydia hat angerufen und gesagt: »Hör mal, macht’s dir was aus, mir ihn eben vorbeizufahren, oder kann er noch zwei Stündchen bleiben?« Noch zwei Stunden halte ich nicht aus. Vor allem, weil Finn meine Tochter jetzt nur noch Thekla nennt. Wie die fiese Spinne in Biene Maja. Nicht unwitzig. Statt sich verbal zu wehren, schlagfertig zu parieren, heult meine Tochter nur noch rum. Die beiden sind wirklich füreinander geschaffen. Ein Zwergentraumpaar.
Lydia ist tatsächlich noch am Arbeiten. Der Friseursalon schon abgeschlossen. Ich muss bestimmt viermal klopfen, bis sie öffnet. Mit hochrotem Kopf wurschtelt sie eifrig an einem Männerkopf herum. Den Kopf kenne ich. Es ist Belindas Vater. Theas Mann. Kriegt der etwa die erwähnte Dauerwelle, die sie so dringend noch machen musste? »Hi, Pius, bist du unter die Dauerwellträger gegangen?«, flachse ich. Erstaunlich, dass seine Ehefrau Thea, die ja sonst alles selbst macht, hier versagt. Aber: Wie soll Lydia in das Haar überhaupt nur einen Wickler reinkriegen? Er grinst verschämt, wirkt etwas angespannt. »Nee, nee, nur mal nachschneiden.« Aha. Merkwürdig. Der hat doch eh kaum Haar. Und kurz ist es auch. Und der Kittel von Lydia sitzt auch nicht so, wie er sollte. Das Ganze sieht mir nicht nach einem normalen Friseurbesuch aus. Auch Pius hat so einen auffällig roten Kopf. Gehen hier Sachen vor sich, die ich besser nicht wissen sollte? Vergnügt sich Lydia mit Pius, während ich ihren bösartigen Sohn
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