Frisch gemacht!
atmen.« Das eiskalte Wasser hat 25 Grad. »Geh halt raus, wenn du auch das nicht aushalten kannst«, sage ich streng. »Nee, nee, es geht schon«, antwortet er. Claudia mag das Wasser. Sie zetert immer ein bisschen beim Reingehen, hat aber dann irre viel Spaß. Ich lasse Vater und Tochter eine Runde allein und schwimme ein paar Bahnen. Schwimmen ist für mich eine der langweiligsten Sportarten überhaupt. Wenn ich mir vorstelle, wie viele Stunden eine Leistungssportlerin wie Sandra Völker oder Franziska van Almsick im Wasser verbringen muss, kommen mir fast die Tränen. Schwimmen bietet so wenig Abwechslung. Und ständig Kacheln zu zählen
ist ja auch keine wirkliche Erheiterung. Nein, also Schwimmen wäre definitiv nichts für mich. Davon abgesehen eigne ich mich sowieso kaum zur Leistungssportlerin. Ich bin eines der Kinder gewesen, die auf Bundesjugendspielen froh waren, eine Siegerurkunde zu erringen. Die Ehrenurkunde war von jeher unerreichbar. Mein weitester Sprung war um die 3 . 50 m, und, ehrlich gesagt, habe ich selbst dabei ein ganz klein wenig übergetreten. Turnen war mir immer lieber als Leichtathletik. Obwohl ich auch hierbei keineswegs zu den Kindern gehört habe, die sich auf dem Schwebebalken bald wohler als daheim gefühlt haben. Mein Favorit in der Sportstunde war Völkerball. Abwerfen und Fangen, das war mein Revier. Zu meiner großen Erleichterung habe ich beim Wählen auch nie zu den Kindern gezählt, die bis zum Ende übrig blieben. Welche Demütigung: »Du nimmst Silvia, dann nehmen wir halt die Kirsten. Einer muss sie ja nehmen.« Ich glaube, so was jemals zu vergessen, ist schwer.
Eine Sportlerkarriere wäre mir selbst bei einer möglichen Begabung nie in den Sinn gekommen. Topsportler zu sein, das habe ich früh erkannt, geht einher mit der Leidenschaft, sich selbst zu quälen. Eine Leidenschaft, die mir einigermaßen fremd ist. Ich habe eine Freundin, die war mal bei Olympischen Spielen Neunte oder so. Beim Ski nordisch. Langlauf. Das hat nicht einen Reporter interessiert. Sie wurde komplett ignoriert. Neunter zu sein ist schlimmer als nicht antreten. Ich habe jahrelang versucht, sie zu trösten: »Mensch, das war doch toll, Neuntbeste auf der Welt.« »Und was habe ich davon«, zog sie trocken ihr Resümee, »phantastisch, echt, ein kaputtes Knie, eine zu
spät angefangene Berufsausbildung und ein gestörtes Konkurrenzverhalten. Im nächsten Leben gehe ich spazieren. Wenn überhaupt. Leistungssport ist die Pest.«
Trotzdem, ich habe mir mit einem gedanklichen Blick auf die Verlockungen des abendlichen Büfetts vorgenommen, noch mindestens 15 Minuten zu schwimmen. Auch wenn es mich kalorienmäßig keineswegs raushaut, für das Gefühl ist es allemal gut. Mit gutem Gewissen isst es sich gleich viel besser.
Mit meinem guten Gewissen wird es nichts werden, denn Christoph schreit quer durch den Pool nach mir. Es hört sich dringend an. Kann er auf einmal nicht mehr schwimmen, oder ist was mit Claudia? Das Muttertier in mir schwimmt, so schnell es geht, rüber zur Kleinfamilie. Christoph zeigt Richtung Poolboden. »Liegt da Geld, oder was willst du mir zeigen?«, frage ich entgeistert. »Nee, das ist keineswegs Geld. Guck halt hin«, spielt er weiter ein kleines Ratespielchen mit mir. Aquaquiz 2002 . »Christoph, was um Himmels willen ist los?«, frage ich meinen völlig verwirrt wirkenden Christoph. »Also Claudia hat sich so an der Badehose gekratzt und da habe ich sie runtergezogen, um nachzusehen, und es war Kacke. Eindeutig.« »Ja, dann geh raus und mach sie sauber«, animiere ich ihn zum Handeln. »Zu spät«, sagt er nur und zeigt wieder zum Poolboden. Jetzt kann ich es auch sehen. Es ist tatsächlich keine Geldmünze, sondern ein ordentlicher Haufen. »Ach du Scheiße, ich dachte die schwimmt oben«, ist das Einzige, was mir auf Anhieb einfällt. »Wie kannst du ihr aber auch die Badehose wegziehen, die hat sie doch nur an, damit so etwas auf keinen Fall passiert.« »Ja, Frau Oberschlau, aber
was machen wir jetzt?«, fragt er mich. »Ganz einfach«, antworte ich, »Claudia und ich gehen raus und du siehst zu, dass du das da irgendwie beseitigst, ohne das es das halbe Hotel mitbekommt.« »Soll ich die Scheiße in die Hand nehmen?«, kommt es entsetzt zurück. Am liebsten würde ich sagen, mir egal, kannst sie auch in den Mund nehmen, verkneife es mir aber. »Ich werfe dir ein Handtuch her, du tauchst und wickelst sie so unauffällig wie möglich ein.« Ein Albtraum. Mich
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