Frisch gemacht!
Trotzdem kaufe ich immer wieder und wieder neue, denn an sich macht ein bisschen Grünzeug eine Wohnung ja durchaus behaglicher. Der Ficus hier vor meiner Haustür ist wirklich nicht in Bestzustand. »Jetzt ist Schluss«, schreie ich beim Türaufmachen. Meine Tochter, die meint, sie wäre gemeint, heult sofort los. »Das ist gemein, Lukas hat gerade die Emma repariert. Du bist gemein.« Ich schalte den Furienton um einen Gang zurück und sage: »Ich meine Oma, nicht dich.« Die schnaubt lauthals: »Ist das der Dank«, und kontert dann, »ich opfere meinen Vormittag für deine beruflichen
Ambitionen, mache mir den Rücken kaputt und muss mich dafür noch von meiner eigenen Tochter anschreien lassen.« Sie schaut beleidigt. Angriff ist die beste Verteidigung. Eine alte, aber durchaus wirksame Strategie. »Wenn du dich ausleben willst, hättest du bügeln können«, blaffe ich sie an. »Lass mich nur nie allein in deinem Haus«, motze ich weiter, »ich kann dann für nichts garantieren. Nicht, dass ich aus Versehen noch Papa entsorge«, versprühe ich verbales Gift. Sie schnappt ihre Handtasche, marschiert an mir vorbei und knallt demonstrativ die Haustür zu. Ein herrlicher Tag. Ich hätte es mir denken können. Im Nachhinein spreche ich meine Freundin Sabine, den Vortagsbabysitter, fast heilig. Gut, sie hat Chaos hinterlassen, aber wenigstens nicht meinen Hausstand dezimiert. Meine Tochter ist nun auch sauer. »Die Oma war lieb, und du schimpfst nur«, klagt sie mich an. Na toll, die Gesamtfamilie ist gegen mich.
Zwanzig Minuten später ist meine Schwester am Telefon. Die Buschtrommeln in unserer Sippe funktionieren wirklich perfekt. »Hör mal, Andrea«, fange ich mir einen feinen Rüffel von meiner großen Schwester Birgit ein, »so kannst du mit Mama auch nicht umspringen. Die hat es doch nur gut gemeint.« Alte Schleimerin. Hat meiner Mutter wahrscheinlich noch gut zugeredet und sie bestärkt. »Danke, Birgit, dass du dich einmischst. Das hat mir gerade noch gefehlt«, antworte ich. »Du weißt, ich heiße Brigitta«, nörgelt sie mich an, »und ich finde schon, dass ich mal meine Meinung sagen darf.« Meine Schwester Birgit nennt sich seit Jahren nur Brigitta. Das findet sie schicker als Birgit. Wenn ich sie ärgern will, sage ich natürlich Birgit.
Immerhin heißt sie ja auch so. Und wer einem so auf den Keks geht, muss nicht noch erwarten, dafür belohnt zu werden. »Wenn ich deine Meinung hören will, werde ich mich bei dir melden«, leite ich den Schluss des Gesprächs ein. »Bis demnächst, mach es gut«, sage ich und lege auf. Jetzt fehlen noch mein Bruder und mein Vater, und dann bin ich wahrscheinlich enterbt. Und das alles in einer halben Stunde. »Spitzenleistung, Schnidt«, ärger ich mich und lege mich zu meiner windpockigen Tochter auf die Couch. Da bleibe ich, bis wir viermal Jim Knopf geguckt haben und mein Vater anruft. »Andrea«, mein Vater kommt immer schnell zur Sache und hält sich nicht mit harmlosem Geplänkel auf, »findest du es witzig zu sagen, ich gehöre entsorgt? Ich weiß durchaus selbst, dass ich anfange alt zu werden. Kannst du deine Mutter nicht anderweitig kränken? Ich denke, da ist eine ordentliche Entschuldigung fällig, mein Fräulein.« Das ›mein Fräulein‹ zeigt: Der ist angefressen. So nennt es Sandra gerne, wenn jemand richtig sauer ist. Will würde sagen: Er ›echauffiert‹ sich. Wenn mein Vater freiwillig anruft, habe ich normalerweise Geburtstag. Ansonsten regelt Sozialkontakte meine Mutter. Sie telefoniert, organisiert Familientreffen, und mein Vater ruft üblicherweise irgendwo aus dem Hintergrund »sag ihr einen schönen Gruß«. Es muss ihn also wirklich ziemlich geärgert haben. Dabei habe ich keineswegs gesagt, er gehöre entsorgt. Das versuche ich ihm auch zu verklickern. »Spar dir Ausreden, Andrea, eine Entschuldigung reicht mir völlig.« Ich gebe auf. »Wenn du meinst, Papa, dann entschuldige ich mich auch. Ist hiermit geschehen.« Aber heute ist Papa anspruchsvoll. »Ich denke, du kommst hier vorbei und erledigst das bei deiner Mutter gleich mit«, ist
sein Vorschlag. Der an sich mehr ein Befehl ist. »Falls du es noch nicht wissen solltest, ich habe eine kranke Tochter und kein Schwerverbrechen begangen«, wehre ich mich nochmal. Wie ein Tier in den letzten Zuckungen, das weiß, gleich wird es gefressen. »Ganz wie du meinst, Andrea«, so beendet Papa das Gespräch.
Ich rufe meine Freundin Sabine an. Schildere ihr detailgetreu die gesamte
Weitere Kostenlose Bücher