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Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Titel: Frisch gepresst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Gedränge Richtung Theke. Getränkeausschank ist das passendere Wort. Die Lage verlangt nach einem Schnaps. »Einen Grappa«, ordere ich bei einem der Ausschankleute. Ein schmieriger Typ. Haare gegelt, halblang, nach hinten gebürstet. Und ein blaues Hemd mit weißem Kragen. Pilotenbrille mit Goldrand. Will bestimmt Gynäkologe werden. Daß diese Fachrichtung die größten Schmierlappen geradezu anzieht, ist ein Phänomen. Grappa haben sie nicht. Auch das noch. Wenn mal was schiefläuft, dann aber richtig. Dann eben Apfelwein. »Fünf Mark«, schreit mir der zukünftige Frauenarzt zu. »Ist das der Preis für Privatpatienten«, brülle ich schnippisch zurück und knalle ihm meine Versicherungskarte auf den Tresen. Den Krankenschein der Neuzeit. Er ringt sich ein kleines Schmierlappenlächeln ab. Auf einer Studentenfete fünf Mark für einen Äppler. Bei denen piept’s wohl. Aber die Jungmediziner denken wahrscheinlich alle schon in anderen Dimensionen. Nach dem vierten Glas ist mir der Preis vollkommen schnuppe. Irgendwann muß Gregor hier auftauchen. So lange betäube ich mich, so gut es geht. Meine Stimmung ist auch schon etwas gestiegen. Nach ein paar Apfelwein sieht die Welt einfach anders aus. Von Gregor allerdings immer noch weit und breit nichts zu sehen. Auf einmal, bei meinem fünften Glas, erschallt von links eine Stimme. »Prost, und wie wär’s mit Tanzen?« Ich sehe leicht verschwommen einen großen Mann neben mir. Riesig. Einer dieser Langen, Dünnen. Nennt man die nicht leptosom? Aber der Leptosome hat ein freundliches Gesicht. »Nee, mit dem Tanzen sieht’s schlecht aus, mein Fuß will nicht«, gebe ich so klar wie nach 5 Äpplern möglich zurück. Er guckt verständnisvoll nach unten: »Oh je, ich glaube, das sollte ich mir mal bei Licht genauer besehen, sieht ja übel aus.« Eine Idee, die mich sofort überzeugt.
    Er stützt mich, und wir schwanken zum Eingang des Saales. Mein Gang ist etwas unsicher. Der Fuß allein ist daran nicht schuld. Ich hoffe, ich lalle nicht. So trinkfest bin ich nicht. An den Ausschanktisch gelehnt, ist mir meine Instabilität echt nicht aufgefallen. Ob er mich direkt zu den Anonymen Alkoholikern bringen wird? Ich könnte es glatt verstehen. Eine Frau mit nur einem Schuh, einer Äpplerfahne, Laufmasche und verlaufenem Make-up macht nicht unbedingt den korrektesten Eindruck. Wenigstens wird er vorher meinen Fuß begutachten. Einen Vorteil muß es ja haben, daß ich auf einer Medizinerfete bin. Hoffentlich habe ich nicht schon wieder einen werdenden Dermatologen erwischt. Wir hocken uns vor dem Eingang auf die Stufen. Ich will gar nicht wissen, wie ich in diesem Licht hier draußen aussehe.
    »Darf ich mal«, fragt er höflich und tastet an meinem Fuß rum. »Bist du wahnsinnig, das sind Höllenschmerzen«, blaffe ich ihn an. »Hast du so was öfter?« kommt es zögerlich von ihm. Was denkt sich der Mann? Ich erzähle von meinem Sturz und warte voll Spannung auf die Diagnose. »Vertreten, verstaucht oder angeknackst?« biete ich ihm an. Mittlerweile glaube ich mindestens an einen dreifachen Splitterbruch, aber Understatement beeindruckt eher. Obwohl er kein Typ Mann ist, bei dem ich mich normalerweise sehr anstrenge. Sinnliche Lippen, aber sonst eher durchschnittlich. Augenfarbe undefinierbar, gräulich, gesprenkelt und eine ziemlich kurze Nase. Stupsig. Gefällt mir bei Männern nicht. Wirkt so wenig markant. Aber er hat was Liebes. Und sein großes Plus: Er spricht kein Hessisch. Hessisch habe ich heute abend zur Genüge genossen. Alles, was recht ist. In den nächsten Wochen muß ich wahrscheinlich achtgeben, beim Apfelwein keinen Hysterischen zu kriegen, wenn einer am Tisch hesselt. Danke, Gregor. Für die Hessisch-Phobie, den geschwollenen Fuß und alles.
    »Ich heiße Christoph«, stellt sich die Stupsnase vor, »und das da« (mit Blick auf meinen Klumpfuß) »muß geröntgt werden.« – »Kannst du das machen?« erwidere ich. Er schaut überrascht. »Ne, aber ich kann dich ins Krankenhaus fahren, wenn du willst. Ich glaube nicht, daß du noch allein Auto fahren kannst.« »Besonders nicht ohne Auto«, denke ich und nehme sein Angebot dankend an. Netter Kerl. »Die Party ist eh langweilig«, erklärt er einschränkend. Nach dem Motto: »Ich habe gerade nichts Besseres vor«. Damit rutscht er auf der Nettigkeitsskala gleich wieder 2–3 Stufen ab. Als gäbe es Schöneres, als mich ins Krankenhaus zu fahren.
    Aber so, wie mein Fuß inzwischen weh tut, kann ich nicht

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