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Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Titel: Frisch gepresst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Händen. Was im täglichen Leben kleinkariert und übertrieben erscheint, kann in anderen Situationen durchaus angemessen sein. Er bietet mir seinen Arm als Stütze, und gemeinsam wanken wir zur Notaufnahme. Sie liegt im Keller. Morbider Charme. Die Wände könnten mal wieder gestrichen werden. Die Farbe kann man nur noch erahnen. Etwas zwischen Blaßgelb und Erbsgrün. Dieser grottenhäßliche Farbton soll angeblich beruhigend wirken. Wie sonst wäre zu erklären, daß fast alle Krankenhäuser in dieser Farbe gestrichen sind. Ich hasse Erbsgrün. Eine depressive Farbe. Wer noch nicht krank ist, fühlt sich nach einem längeren Aufenthalt hier unten in diesen Katakomben garantiert zumindest schlecht.
    »Kannst du deine Kollegen bitten, bei der Untersuchung zu assistieren«, sage ich zu Christoph. Ich will ihm mein Vertrauen demonstrieren. Er macht ein erstauntes Gesicht. »Welche Kollegen?« – »Na, die Ärzte natürlich, oder bist du erst in einem Anfangssemester und darfst noch nicht?« erwidere ich etwas irritiert. »Ich bin Jurist«, stellt Christoph klar, »und wüßte nicht, wie ich hier fachlich behilflich sein könnte.«
    Gut, daß ich mein doofes Gesicht jetzt selbst nicht sehen muß. Was bin ich nur für ein naives Geschöpf. Für mich war einfach logisch: Ein Mann, den man auf einer Medizinerfete kennenlernt, muß Mediziner sein. »Was hast du mir denn da vorgegaukelt«, herrsche ich ihn an. Jetzt ist auch er beleidigt: »Wieso vorgegaukelt? Ich kann mich nicht erinnern, daß du mich nach meinem Beruf gefragt hast. Und so ganz frisch bist du ja auch gerade nicht mehr. Hat dir der Apfelwein so zugesetzt, daß du schon weiße Kittel siehst, wo keine sind? Trage ich ein Stethoskop um den Hals? Hast du Visionen, oder was ist los?« Bißchen rüder Ton, aber wo er recht hat, hat er recht. Nur, was tatscht der an meinem Knöchel rum, wenn er gar nicht vom Fach ist? Ist er ein Fußfetischist oder was? Es gibt ja die tollsten Sachen. »Schnidt«, ermahne ich mich, »man muß alles positiv sehen. Wenigstens könnte er mich bei einem Kunstfehlerprozeß vertreten.« Falls das Personal hier so ist wie die Umgebung, werde ich nicht um einen rumkommen. Bis jetzt habe ich allerdings noch niemanden gesehen, der aussieht wie ein Arzt. Dafür erneut so einen Kretin hinter einer Scheibe. Ohne Begrüßung drückt er mir einen Stapel Papiere in die Hand. Und einen Kuli. »Welche Kasse sind Sie?« grunzt er gelangweilt durch eines dieser ovalen Scheibenfenster. »Barmer«, antworte ich brav. »Na, dann nehmen Sie mal Platz, die Formulare ordentlich ausfüllen und dann wieder zurück an mich«, lauten seine weiteren Anweisungen. Zu einem Kind würde ich sagen: »Wo bleibt das Zauberwort?« Dieses schmucke kleine Wörtchen »bitte«. Aber bei dem nützt das nichts mehr. Ab einem gewissen Alter sind Erziehungsversuche sinnlos. Kosten nur Kraft und Nerven. Ich ergebe mich in mein Schicksal und nehme auf einer der orangefarbenen Sitzschalen Platz. Was diese Stühle wohl schon erlebt haben? In den letzten Jahrzehnten? Die können nur aus den 60ern sein. Christoph nimmt den letzten freien Platz mir gegenüber. »Friede?« fragt er grinsend. Ich will nicht heim laufen und nehme an. Viele Leute werden kirre, wenn sie in einem vollbesetzten Raum warten müssen. Mir macht das nichts aus. Im Gegenteil. Ich beobachte gerne andere Menschen. Was wohl der jüngere Typ im Discooutfit hat? Er hält sich den Bauch, stöhnt leise vor sich hin und hat eine Gesichtsfarbe, die perfekt zur Wand paßt. Wird er sterben müssen? Hat er eine Überdosis Ecstasy intus? Und wer ist die aufgebrezelte Frau in der Latexhose an seiner Seite? Die Freundin oder seine Kusine oder eine Zufallsbekanntschaft?
    Hat er ein geplatztes Magengeschwür, das vom Schulstreß kommt? Viel älter als 18 kann der Kerl nicht sein. Eindeutig ein »noch« Clearasil-Benutzer. Waren es vergiftete Muscheln? Oder einfach 2 bis 3 Cocktails zuviel? Wollte er sich umbringen, weil ihn die Latexhose, die beständig auf ihn einredet, verlassen wollte? Muß der Magen ausgepumpt werden? Hat er sich etwa geprügelt und voll eine gefangen? Vom Ex der Latexhose. Oder dem Türsteher einer In-Disco? Oder hatten sie erstmals Sex und brauchen die »Pille danach«? Ist ihm nur so schlecht, weil er Angst hat, für immer an die Latexhose gebunden zu sein, falls sie schwanger ist und das mit der »Pille danach« nicht klappt? Rätselhafter Fall. Ich gucke ihn interessiert an, in der Hoffnung, daß er

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