Frisch gepresst: Roman (German Edition)
Eher mir. Mir steigt schon beim Gedanken daran wieder die Röte in den Kopf. »Ich habe nur ein bißchen rumgetrödelt«, rede ich mich raus und bin froh, als sie nicht weiter bohrt. Die Müller-Wurz hätte so schnell nicht aufgegeben. Die hatte schon was, die Frau. So was von Hartnäckigkeit. Und dieser Mann. Aber auch Courage. Wer weiß, ob die so belemmert vor ihrem Chef gestanden hätte. Wahrscheinlich nicht. Aber auch einem Mann wie Christoph würde so was niemals passieren. Nicht im Traum würde der in einen Papierkorb krabbeln, um eine Packung ungeliebter Pralinen zu zerstören. Mutwillig und bösartig. Aus einer Laune heraus. Das ist nicht Christophs Stil. Der handelt überlegt und besonnen. »Sie sollen noch mal im Arztzimmer vorbeischauen, wenn Sie zurück sind«, richtet mir die Tratschner noch aus.
Pünktlich mit dem Mittagessen erscheint auch Christoph auf der Bildfläche. Sinn für Timing hat er ja. Das muß ich ihm lassen. Es gibt Eintopf. Das Fleisch sieht aus, wie direkt aus meinem Bauch rausgeschnitten. Schwabbelwellfleisch. Im Zweifelsfall ist es wirklich Bauchfleisch. So was geschmackloses. Ist das die mentale Folter aus der Großküche? Das kollektive Wöchnerinnenärgern? Der Nachtisch ist ein Apfel. Ein Delicious. Wie kann man nur diese Äpfel kaufen? Wo sie noch nicht mal billiger als andere Sorten sind. Diese Nach-nichts-schmeck-Äpfel. Früher waren Granny Smith, diese knallgrünen, in. Aber die haben was Künstliches. Am liebsten sind mir Boskop oder Cox Orange oder Braeburn. Knackige Äpfel, die auch nach Apfel schmecken.
Christoph findet meine Abhandlungen über die diversen Apfelsorten nur mäßig interessant. Er krault und streichelt seine Tochter und kann immer noch nicht fassen, wen er beim Vorbeigehen in der Krankenhauscafeteria gesehen hat: »Ich schwöre dir: Da saßen deine heißgeliebte Sabine und dein weniger geschätzter Chef, der Hohrwerker, neckisch scherzend beisammen. Beim trauten Kaffeeklatsch.« Obwohl ich am liebsten einen auf doof gemacht hätte: »Äh, niemals, erzähl mir nicht so einen Scheiß«, entscheide ich mich für die Wahrheit. Die leicht geschönte Wahrheit. Christoph ist ein Mann, der mich, hätte ich ihm nicht geglaubt, glatt runter in die Cafeteria gezerrt hätte. Und darauf kann ich heute sehr gut verzichten. Also habe ich ihm meine Pralinenschmach gebeichtet. Den Teil mit dem Drahtgitterpapierkorb habe ich allerdings etwas abgeändert. Ich habe die Pralinen in den Müll geworfen. Daß ich dann wie eine Furie darauf herumgehüpft bin, habe ich weggelassen. Zu Recht, wie ich bald bemerke. Er ist auch so angemessen schockiert. »Ob der dich wieder nimmt, der Hohrwerker, wenn der Mutterschutz rum ist? Nach der Nummer. Also, ich hätte die Schnauze voll«, zieht Christoph seine Schlüsse aus meinem Verhalten. Hätte ich ihm die wahre Geschichte erzählt: den hätte sofort und auf der Stelle der Schlag getroffen.
Im Gegensatz zu mir bezweifelt Christoph, daß mich Sabine durch ihr Geturtel wieder aus der selbstgebauten Falle zieht. »Die reitet dich doch noch tiefer rein, dieses Weibsstück«, zischt er mich an. Seiner Meinung nach soll ich mich schleunigst nach unten begeben. Essen Sie Ihren Eintopf nicht auf, lassen Sie den Nachtisch stehen und begeben Sie sich auf direktem Weg in die Cafeteria, um zu retten, was eventuell zu retten ist. Ich vertraue aus diversen Gründen lieber auf Sabine. Christoph mag sie nicht. Der Hohrwerker jedenfalls hat begeistert geguckt. Gerade diese alten Säcke lieben junge Frauen, die noch kokett den Kopf in den Nacken werfen können und sich liebend gerne stundenlang Erfolgsstories von Mittfuffzigern anhören. Entweder der Hohrwerker ist angetan oder eh längst weg. Da kann ich auch in Ruhe meinen Eintopf aufessen. Die 4 Fleischbröckchen lasse ich für Christoph übrig. Der seine Tochter gerade über seinen bevorstehenden Gerichtsauftritt informiert. »Halte ihr keine Vorträge, gib ihr lieber ein Fläschchen, wenn du mich entlasten willst«, raunze ich ihn an. Er hat zwar nichts von entlasten gesagt, aber manchen Männern muß man ihre unbewußten Wünsche eben erklären. Auf dezente Art und Weise näherbringen. Nach dem Essen, Eintopf und Fläschchen und feinen Bäuerchen von Mutter und Kind, muß der mir verbundene Jungjurist los. Er schmatzt uns alle ab und weg ist er. Ich muß sagen, heute stört es mich wenig. Claudia sieht müde aus, und weil eine Mutter ja auf ihr Kind eingehen soll, beschließe ich, daß wir erst
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