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Frisch getraut: Roman (German Edition)

Frisch getraut: Roman (German Edition)

Titel: Frisch getraut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Gibson
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sich einen 75er Datsun Pick-up. Verblasstes Orange mit zerknautschtem Heck-Kotflügel. Diese Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass sich harte Arbeit lohnte und wie man bekam, was man wollte. Noch im selben Jahr hatte er auch seine erste Freundin. Monica Diaz war zwei Jahre älter gewesen als er. Zwei sehr erfahrene Jahre. Von ihr hatte er den Unterschied zwischen gutem Sex, tollem Sex und bewusstseinsveränderndem Sex gelernt.
    Sebastian schnappte sich sein Bier und ging aus der Küche; seine Schritte waren das einzige Geräusch im stillen Kutschenhaus. Im zweiten Jahr an der Highschool hatte er Journalismus belegt, weil er mit der Einschreibung spät dran gewesen war und alle anderen Wahlfach-Kurse schon voll waren. In den nächsten drei Jahren hatte er für die Schülerzeitung über die
Musikszene vor Ort berichtet. Im letzten Schuljahr war er Herausgeber der Zeitung, lernte jedoch schnell, dass ihm Storys zuteilen und Redigieren nicht viel Spaß machte. Er arbeitete lieber als Reporter.
    Er hob das Bier an die Lippen und nahm die Fernbedienung vom Tisch neben dem Fernsehsessel seines Vaters. Mit dem Daumen zappte er durch die Kanäle. Plötzlich verspürte er ein beengendes Gefühl in der Brust und warf die Fernbedienung zurück auf den Tisch. Wie sollte er das Leben seiner Mutter ordentlich in Pappkartons verpacken?
    Beim Gedanken daran bekam er Beklemmungen. Ehrlich gesagt, war der Gedanke daran, das Haus auszuräumen, einer der Gründe, warum er sich hier in Boise aufhielt – einer der Gründe, die ihn nachts nicht schlafen ließen.
    Er schlenderte zu einem Einbauregal neben dem Kamin, griff nach dem ersten dicken Fotoalbum in der Reihe und schlug es auf. Zeitungsartikel und Ausschnitte aus Zeitschriften segelten zu Boden und begruben seine Füße. Von der ersten Seite des Albums schaute ihm ein Schnappschuss von Leo entgegen, der ein Baby mit einer schlaffen Stoffwindel in den Armen hielt. Das Foto war verblasst und hatte in der Mitte einen Knick, und Sebastian nahm an, dass seine Mutter es aufgenommen hatte. Er war damals schätzungsweise sechs Monate alt gewesen, was bedeutete, dass die drei noch in Homedale gewohnt hatten, einer Kleinstadt östlich von Boise, und sein Vater in einer Molkerei gearbeitet hatte.
    Wie alle Scheidungskinder erinnerte sich Sebastian gut an den Tag, an dem er seine Mutter fragte, warum sie nicht mit seinem Vater zusammenlebten.
    »Weil dein Daddy ein Faulpelz ist«, hatte sie geantwortet.
Damals hatte er nicht begriffen, was Faulheit damit zu tun hatte, dass sie keine richtige Familie waren. Später im Leben erkannte er, dass sein Vater gar kein Faulpelz war, sondern nur nicht karrieresüchtig, und dass eine ungewollte Schwangerschaft zwei völlig unterschiedliche Menschen zusammengebracht hatte. Zwei Menschen, die sich nie die Hände hätten schütteln und schon gar kein Kind hätten zeugen sollen.
    Er blätterte durch den Rest des Albums voller Schnappschüsse und Schulfotos. Auf einem Bild war er zu sehen, wie er einen Fisch hochhielt, der fast so groß war wie er damals. Seine Brust war stolzgeschwellt, und ein breites Grinsen entblößte einen fehlenden Schneidezahn.
    Er ging in die Hocke und griff nach den Zeitungsausschnitten. Seine Hand hielt inne, als er feststellte, dass es alte Artikel von ihm waren. Da waren der Bericht über den Tod von Carlos Castaneda, der Time -Artikel über die Jarvis-Herzklappe und den Mord an James Bird. Seine Arbeiten zu sehen, war ein Schock für ihn. Dass sein alter Herr seine Karriere verfolgte, hatte er nicht gewusst. Er steckte die Ausschnitte wieder ins Album und stand auf.
    Als er es zurück in die Lücke schob, erregten zwei Buchstützen aus Messing auf dem Kaminsims seine Aufmerksamkeit. Zwischen den goldglänzenden Enten standen acht Taschenbücher der Autorin Alicia Grey. Er griff nach den ersten zwei Exemplaren in der Reihe und zog sie heraus. Das erste hatte einen violetten Einband und zeigte einen Mann und eine Frau in historischen Gewändern. Das rote Kleid der Frau war ihr von den Schultern gerutscht, und ihre Brüste quollen aus dem Dekolletee. Der Mann war mit nacktem Oberkörper abgebildet und trug eine enge schwarze Hose und Stiefel. Der in erhabenen
Goldbuchstaben gedruckte Titel lautete: Die Umarmung des teuflischen Piraten . Das zweite Buch, Die Gefangene des Piraten , zeigte einen Mann, der im Bug eines Schiffes stand, während der Wind sein weites Hemd aufblähte. Er hatte weder Entermesser noch Holzbein noch Augenklappe.

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