Frisch getraut: Roman (German Edition)
mir weiterhelfen. Mir ein paar Tipps geben. Auch wenn Dad und ich versuchen, uns wieder näherzukommen, kennst du ihn einfach viel besser als ich.«
Okay, jetzt fühlte sie sich schlecht. Sie war voreingenommen, und das war nicht fair. Er war zwar als Kind ein schmeichlerischer Schwindler gewesen, doch das war lange her. Sie selbst wollte auch nicht nach Dingen beurteilt werden, die sie als kleines Mädchen gesagt und getan hatte. »Ich hab ihm eine antike Holzente gekauft«, antwortete sie und trat in die Küche, wobei die Absätze ihrer Sandalen auf dem Hartholzboden klapperten. »Vielleicht könntest du ihm ein Buch über Holzschnitzerei besorgen.«
»Ein Buch wäre gut.« Sebastian folgte ihr. »Was hältst du von einer neuen Angelrute?«
»Ich wusste gar nicht, dass er noch angelt.« Clare stellte die Gläser mitsamt der Flasche auf die Granitinsel in der Mitte der Küche.
»Wir zwei haben heute Nachmittag ein paar Forellen aus dem Stausee gezogen.« Er lehnte sich an die Theke und verschränkte die Arme vor der Brust. »Seine Ausrüstung ist ziemlich überholt, deshalb dachte ich, ich schenk ihm was Neueres.«
»Bei ihm musst du aber auf Marken achten.«
»Deshalb dachte ich ja, du könntest mir helfen. Ich hab aufgeschrieben, was wir brauchen.«
Sie blieb abrupt stehen und wandte sich langsam um. »Wir?«
Er zuckte die Achseln. »Klar. Du kommst mit. Okay?«
Irgendwas war hier faul. Er schaute ihr nicht in die Augen und … Sie schnappte nach Luft, und der wahre Grund für seinen unangemeldeten Besuch war plötzlich sonnenklar. »Es gibt kein ›wir‹, stimmt’s? Du bist hergekommen, um mich zu überreden, die Angelrute für deinen Vater zu kaufen. Allein.«
Jetzt schaute er sie an und bedachte sie mit seinem charmantesten Lächeln. »Schätzchen, ich hab keine Ahnung, wo in dieser Stadt die Sportartikelgeschäfte sind. Außerdem ist es doch unsinnig, dass wir beide gehen.«
»Nenn mich nicht Schätzchen!« Sie war eine solche Närrin! Trotz aller Zweifel hatte sie nur das Beste von ihm angenommen und sich schlecht gefühlt, weil sie ihn falsch beurteilt hatte, und jetzt stand er in ihrer Küche vor ihr und versuchte die Lockvogel-Taktik. Empört verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Nein.«
»Warum nicht?« Er ließ entgeistert die Hände sinken. »Frauen kaufen für ihr Leben gern ein.«
»Schuhe vielleicht. Aber keine Angelruten. Manno!« Sie stöhnte innerlich und schloss entsetzt die Augen. Hatte sie gerade Manno gesagt? Als wäre sie wieder zehn?
Sebastian lachte amüsiert.
Sie atmete tief durch und schlug die Augen wieder auf. »Auf Wiedersehen, Sebastian«, flötete sie und ging zur Küchentür. Sie blieb stehen und deutete zur Haustür. »Du bist auf dich gestellt.«
Er stieß sich von der Theke ab und kam auf sie zugeschlendert. Langsam und lässig, als hätte er es nicht besonders eilig, ihrer Aufforderung nachzukommen. »Deine Freundinnen haben recht, weißt du das?«
Gütiger Gott! Hatte er das Manneskraftgespräch mitgehört?
Als er an ihr vorbeikam, blieb er stehen und raunte ihr ins Ohr: »Mit deinen Lackschühchen warst du vielleicht nicht gerade das hübscheste kleine Mädchen, aber jetzt bist du eine wunderschöne Frau. Besonders, wenn du erregt bist.«
Er roch gut, und wenn sie ihr Gesicht nur ein bisschen drehte, könnte sie die Nase an seinem Hals vergraben. Das Verlangen danach beunruhigte sie, und sie blieb so starr wie möglich stehen. »Vergiss es. Ich erledige nicht deine Einkäufe für dich.«
»Bitte!«
»Keine Chance.«
»Und wenn ich mich verlaufe?«
»Besorg dir ’nen Stadtplan.«
»Brauch keinen. Der Landcruiser hat ein Navigationssystem.« Er lachte und entfernte sich von ihr. »Als Kind warst du unterhaltsamer.«
»Ich war leichtgläubiger. Aber ich bin kein kleines Mädchen mehr, und du kannst mich nicht mehr austricksen, Sebastian.«
»Clare, du wolltest doch von mir ausgetrickst werden.« Er lächelte und ging zur Haustür. »Willst du immer noch«, verkündete er und war verschwunden, bevor sie sich mit ihm streiten oder »Auf Wiedersehen« oder »Hau endlich ab« zischen konnte.
Sie ging zurück in die Küche, griff nach den Champagnergläsern und stellte sie neben die Spüle. Lächerlich! Sie hatte nicht ausgetrickst werden wollen. Sie hatte nur gewollt, dass er sie mochte. Sie drehte den Hahn auf und spritzte ein paar
Tropfen zitrusfrisches Spülmittel ins Wasser. Sie hatte nur gewollt, dass er sie mochte . Das war vermutlich das
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