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Frisch getraut: Roman (German Edition)

Frisch getraut: Roman (German Edition)

Titel: Frisch getraut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Gibson
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Motto ihres Lebens. Traurig und ziemlich armselig, aber wahr.
    Clare ließ das Wasser eine Weile laufen, bevor sie den Hahn abdrehte und die Gläser in die warme Seifenlauge gleiten ließ. Wenn sie ehrlich war und ihre Vergangenheit genau betrachtete, erkannte sie in ihrem Leben immer wieder dasselbe destruktive Muster. Wenn sie ehrlich zu sich war, so ehrlich, dass es schmerzte, musste sie zugeben, dass sie zuließ, dass ihre Kindheit ihr Leben als Erwachsene beeinflusste.
    Sich das einzugestehen, war ein echter Knaller, aber es war zu offensichtlich, um es zu ignorieren. Sie hatte sich so lange geweigert, darüber nachzudenken, weil es ein solches Klischee war, und sie hasste Klischees. Sie hasste es, daüber zu schreiben, und sie hasste es noch viel mehr, eins zu sein.
    Am College hatte sie Soziologie-Kurse belegt und Studien gelesen, die an Kindern Alleinerziehender durchgeführt worden waren. Sie hatte geglaubt, aus der Statistik herauszufallen, die besagte, dass Mädchen, die ohne Vater aufwuchsen, früher und stärker sexuell aktiv wurden und gefährdeter waren, Selbstmord zu begehen oder kriminell zu werden. Sie persönlich hatte noch nie einen Gedanken an Selbstmord verschwendet, war noch nie festgenommen worden und hatte ihre Jungfräulichkeit im ersten Semester an der Uni verloren. Ihre Freundinnen, die mit beiden Elternteilen aufgewachsen waren, hatten ihre schon an der Highschool verloren. Deshalb hatte sie sich eingeredet, dass sie nicht unter dem klassischen »Vaterkomplex« litt.
    Nein, sie hatte nicht häufig den Sexualpartner gewechselt. Sie hatte nur eine emotionale Leere verspürt und unterbewusst nach männlicher Anerkennung gesucht, um diese Leere auszufüllen.
Und sie brauchte sich ihr Leben nicht allzu genau anzuschauen, um zu sehen, warum sie nach männlicher Aufmerksamkeit suchte, um sich vollkommen zu fühlen.
    Clare spülte die Gläser und stellte sie zum Trocknen auf ein Geschirrtuch. Im Grunde war sie ohne Vater aufgewachsen. Wenn sie ihren Dad besuchte, hatte immer eine schöne Frau bei ihm gewohnt. Immer eine andere schöne Frau. Bei einem kleinen Mädchen mit dicken Brillengläsern und einem breiten Mund, der nicht zu seinem Gesicht passte, hatten all die schönen Frauen nur noch mehr Minderwertigkeitskomplexe ausgelöst. Dabei konnten sie gar nichts dafür. Die meisten Frauen waren nett zu ihr. Auch sie selbst hatte nichts dafür gekonnt. Damals war sie noch ein Kind gewesen – so war das Leben eben, ihr Leben –, und trotzdem ließ sie immer noch zu, dass diese alten Komplexe ihre Beziehungen zu Männern beeinflussten. Nach so vielen Jahren.
    Clare griff in eine Schublade und zog ein Handtuch heraus. Als sie sich die Hände abtrocknete, kam ihr eine schmerzhafte Erkenntnis. Sie hatte sich mit Kerlen abgefunden, die ihrer unwürdig waren, weil sie sich tief in ihrem Herzen glücklich geschätzt hatte, sie zu haben. Das war zwar nicht der große Paukenschlag, auf den sie gewartet hatte, um eine Erklärung für ihre Beziehung zu Lonny zu finden. Es war keine Antwort darauf, warum sie nicht gesehen hatte, was für alle anderen so deutlich gewesen war, aber es erklärte sehr wohl, warum sie sich mit einem Mann zufriedengegeben hatte, der sie nie so lieben konnte, wie eine Frau es verdiente, von dem Mann in ihrem Leben geliebt zu werden.
    Das Telefon, das neben den Porzellandosen stand, klingelte, und sie schaute auf die Nummer des Anrufers. Es war Lonny.
Er hatte jeden Tag angerufen, seit sie ihn rausgeschmissen hatte. Sie war nie rangegangen, und er hatte nie eine Nachricht hinterlassen. Diesmal beschloss sie abzunehmen. »Ja?«
    »Da bist du ja!«
    »Ja.«
    »Wie geht’s dir?«
    Seine Stimme zu hören, tat weh. »Gut.«
    »Ich dachte, wir könnten uns vielleicht treffen und reden.«
    »Nein. Es gibt nichts mehr zu sagen.« Sie schloss die Augen und drückte den Schmerz weg. Den Schmerz darüber, ihn verloren und einen Mann geliebt zu haben, der gar nicht existierte. »Es ist das Beste, wenn wir uns neu orientieren.«
    »Ich wollte dir nicht wehtun.«
    Sie schlug die Augen wieder auf. »Den Spruch hab ich noch nie verstanden.« Sie lachte ironisch. »Du hast mich ausgeführt, bist mit mir ins Bett gestiegen und hast mir einen Heiratsantrag gemacht, obwohl du mich körperlich nicht anziehend fandest. Was genau davon sollte mir nicht wehtun?«
    Er schwieg lange. »Du bist sarkastisch.«
    »Nein. Ich will ehrlich wissen, wie du mich zwei Jahre lang anlügen konntest, um dann zu

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