Frisch getraut: Roman (German Edition)
gewickelt und ihr die Folie mit den Händen an den Körper gepresst. Das Kleid war zwar nicht obszön, doch Sebastian war schon mehrfach aufgefallen, wie ein paar stiernackige Hockey-Spieler sie mit ihren Blicken auszogen. Als sie erfuhren, dass sie Liebesromane schrieb, wuchs ihr Interesse noch. Er wusste, was die verdammten Kerle dachten.
»Weil du so aussiehst, als wolltest du Vlad mit dem Hockey-Schläger verdreschen«, bemerkte Jane.
Sebastian löste seine vor dem blauen Oberhemd verschränkten Arme und nahm einen Schluck Bier. »Glaubst du, ich kann es mit ihm aufnehmen?«
»Himmel, nein. Er tritt dich in deinen memmenhaften Reporterarsch.« Jane war schon immer fast so klug gewesen, wie
sie klugscheißen konnte. »Er heißt nicht grundlos ›Vlad der Zerstörer‹. Aber wenn man ihn kennenlernt, ist er ein echt netter Kerl.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf, wobei ihr kurzes schwarzes Haar ihre Wange streifte. »Wenn du nicht willst, dass diese Typen sie anmachen, hättest du sie nicht als ›eine Freundin von mir‹ vorstellen dürfen.«
Wahrscheinlich hatte Jane recht, aber sie als seine feste Freundin vorzustellen, war ihm zu voreilig erschienen. Und Clare hätte es bestimmt nicht toll gefunden, wenn er geknurrt hätte: »Die Braut gehört mir, also verpisst euch!« Clare war zwar nicht seine Freundin, aber seine Begleiterin, und es gefiel ihm nicht, dabei zuzusehen, wie ihr andere Männer auf die Pelle rückten. »Du weißt, dass ich dich nur auf den Arm nehmen wollte, oder?«
»Dass du es mit Vlad aufnehmen willst? Klar. Aber dass Clare ›nur eine Freundin‹ sein soll, da nimmst du dich wohl selbst auf den Arm.«
Er klappte den Mund auf, um zu widersprechen, doch Jane ließ ihn stehen und gesellte sich zu ihrem Mann. Später am Abend, als er Clare beim Schlafen beobachtete, fragte er sich, was sie an sich hatte, das ihn so zu ihr hinzog und nicht mehr losließ. Es lag nicht nur am Sex. Es war etwas anderes. Die stundenlange Einkaufstortur, die sie ihm zugemutet hatte, hätte sein Interesse abkühlen sollen. Aber Fehlanzeige. Vielleicht lag es daran, dass sie keine Erwartungen hatte. Sie schien nichts von ihm zu wollen, und je mehr Abstand sie hielt, desto näher wollte er sie an sich ziehen.
Am nächsten Morgen wachte Sebastian um sechs Uhr unruhig auf und warf sich in ein T-Shirt und eine Cargohose. Clare
schlief noch. Er stellte die Kaffeemaschine an, und während das Wasser durchlief, rief er seinen Vater an. In Boise war es jetzt sieben, doch er wusste, dass Leo Frühaufsteher war. Sein Verhältnis zu seinem Vater machte mit jedem Besuch kleine Fortschritte. Sie standen sich zwar nicht richtig nahe, aber beide gaben sich echte Mühe, die Fehler aus der Vergangenheit wiedergutzumachen.
Er hatte seit Weihnachten nicht mehr mit seinem Vater gesprochen, war sich aber ziemlich sicher, dass Leo nichts von dem Gast ahnte, der in seinem Bett schlummerte. Er selbst hatte nichts davon erwähnt, denn er wusste nicht, was sein alter Herr von der Geschichte mit Clare halten würde. Okay, das war gelogen. Leo wäre nicht begeistert, doch das hatte er von Anfang an gewusst. Er wusste es, als er sie zum ersten Mal küsste, und er wusste es, als er sie in der Nacht zuvor das letzte Mal geliebt hatte. Doch er war zu dem Schluss gekommen, dass er und Clare erwachsene Menschen waren, und was sie miteinander trieben, ging nur sie was an und sonst niemanden.
Nach dem Telefongespräch mit Leo ging er in sein Arbeitszimmer. In den letzten Monaten hatte er mit dem Gedanken gespielt, Belletristik zu schreiben. Eine Thriller-Krimireihe mit einer zentralen Romanfigur ähnlich wie Cusslers Dirk Pitt oder Clancys Jack Ryan. Nur dass sein Protagonist Enthüllungsjournalist sein sollte.
Sebastian setzte sich an den Schreibtisch und lud seinen Computer. Bisher hatte er nur eine skizzenhafte Handlung und eine vage Vorstellung von den Figuren im Kopf, doch während er zwei Stunden ununterbrochen schrieb, nahmen seine Ideen Gestalt an.
Ein Geräusch aus der Küche lenkte ihn von dem Drama ab,
das sich in seiner Fantasie abspielte, und als er vom Computerbildschirm aufsah, betrat Clare in einem schlichten blauen Nachthemd, das zu ihren Augen passte, den Raum. Es war kurz, hatte dünne Träger und war schon deshalb verdammt sexy, weil es nicht zu bemüht wirkte. Ganz ähnlich wie Clare selbst.
»Ach, entschuldige«, murmelte sie verlegen und blieb in der Tür stehen. »Ich wusste nicht, dass du arbeiten
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