Frisch verlobt
ich ja auch überhaupt nichts mehr mit ihr zu tun haben.“ Nicole kämpfte mit ihrem Arger und dem Schmerz. „Letzte Woche kam ein Junge in die Bäckerei und hat einen Haufen Doughnuts geklaut. Zumindest hat er es versucht. Als ich ihm Vorwürfe machte, hat er für das, was er getan hat, geradegestanden. Er fühlte sich schuldig und wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte. Dann hat er für den Betrag, den er gestohlen hatte, gearbeitet. Und das hat er so gut gemacht, dass er jetzt in der Bäckerei angestellt ist. Warum schafft Jesse so etwas nicht? Warum ist sie absolut nicht in der Lage, für das geradezustehen, was sie getan hat?“
„Ich weiß, dass sie dich verletzt hat.“
„Mehr als verletzt“, murmelte Nicole. „Sehr viel mehr als nur verletzt.“
„Irgendeine Lösung wirst du finden müssen.“
„Ich weiß“, sagte Nicole leise. „Und das werde ich auch. Irgendwann. Ich denke ja auch darüber nach, aber dann werde ich so wütend, dass ich sie nicht einmal mehr sehen möchte, geschweige denn mit ihr reden.“
„Mich macht es richtig traurig, dass ihr euch nicht versteht“, sagte Claire. „Ihr seid doch Schwestern.“
„Keine Schwester, die ich mir wünsche.“
„Das glaube ich dir nicht.“ Claire sah sie an. „Du hast jedes Recht, sauer und verletzt zu sein, aber ich glaube schon, dass es für dich an der Zeit ist, darüber nachzudenken, wie weit dein Verhalten darauf abzielt, deiner Schwester eine Lektion zu erteilen, oder wie weit es nur darum geht, dich zu rächen.“
3. KAPITEL
N icole kam sich albern vor und fühlte sich leicht durchschaubar, als sie an ihrem Stock auf das Footballstadion der Highschool zuhumpelte. Sie war zu alt, um am Freitagabend das Spiel zu sehen … oder zu jung. Sie war weder Schülerin noch hatte sie ein Kind, das zur Highschool ging. Also was genau tat sie hier eigentlich?
„Das hat man davon, wenn man sich mit seinen Angestellten unterhält“, schimpfte sie mit sich selbst. Sie hätte ihm kurz zuwinken und einfach weitergehen sollen. Aber nein, sie musste ja stehenbleiben und mit Raoul reden, nachdem er die erste Woche für sie gearbeitet hatte. Nur weil sie eine Idiotin war, hatte sie ihn gefragt, wie es ihm so ginge, und als er dann das Footballspiel am Abend erwähnte, hatte sie so getan, als interessiere es sie.
„Du hättest ebenso gut Nein sagen können“, erinnerte sie sich, denn als Raoul sie darum bat zu kommen, hätte sie ohne Weiteres sagen können, dass sie etwas anderes vorhätte. Nur dass dem nicht so war, und sie konnte nicht besonders gut lügen. Spirituell gesehen war das vermutlich eine gute Sache, aber wenn ihre Ehrlichkeit darauf Einfluss zu nehmen begann, wo sie ihren Abend verbrachte, nervte sie bloß.
Sie sah zu den Bankreihen hoch, die als Sitzplätze dienten. Hier war niemand, den sie kannte. Aber vor die Wahl gestellt, sich zwischen Schülern und Eltern zu entscheiden, bevorzugte sie die Eltern. Zumindest hatte sie dort eine Chance, mit jemandem ins Gespräch zu kommen.
„Nicole!“
Sie drehte sich überrascht zum Spielfeld um und sah einen Footballspieler, der in Windeseile auf sie zugelaufen kam. Er steckte in seiner Ausrüstung, und sie brauchte einen Moment, bis sie Raoul erkannte.
„Hi“, begrüßte sie ihn und ging auf das Geländer zu, mit dem das Spielfeld von der Tribüne getrennt war. „Wirklich beeindruckend. Du wirkst richtig aggressiv und kräftig.“
Raoul grinste. „Echt?“
Sie nickte. Er sah ganz verändert aus. Alter. Gefährlich. Auf einmal hatte sie das Bedürfnis, ihm zu sagen, er solle aufpassen, sich nicht zu verletzen. Offenbar brauchten mütterliche Instinkte nicht viel, um sich einzuschalten.
„Ist es ein hartes Team, gegen das ihr spielt?“, fragte sie ihn.
„Sie sind in Ordnung. Aber wir werden sie in den Arsch treten.“
„Ich kann es kaum erwarten.“
Er grinste. „Danke dafür, dass Sie heute Abend hier sind. Ich habe normalerweise niemanden, der zu den Spielen kommt. Außer meinen Freunden, wissen Sie. Keine Erwachsenen.“
Damit war sie gemeint. Eine Erwachsene. „Ich werde euch wild anfeuern und mir alle Mühe geben, dich in Verlegenheit zu bringen“, neckte sie ihn.
„Sehr gut.“
Ein hübsches blondes Mädchen in Cheerleader-Uniform kam angelaufen. „Hi“, grüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. „Ich bin Brittany.“
Aus der Nähe war der Teenie sogar noch reizvoller. Sie sah geradezu perfekt aus und war sicherlich sehr beliebt. Beinahe hätte
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