Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
Vom Netzwerk:
doch attraktiv. Und so faszinierend kühl.«
    Attraktiv? Sie? Komisch, Hanna hat neulich auch so etwas gesagt, als wäre es eine ganz normale Feststellung. Merkwürdig.
    »Die Männer hier trauen sich vielleicht nicht an dich ran, aber auf anderem Parkett könntest du ganz groß rauskommen. Das weißt du doch, oder?«
    Marlies nickt, doch sie glaubt Evelyn natürlich kein Wort. Auf anderem Parkett – was soll das denn sein? Klingt aber gut, genau wie in den Heftchenromanen. Doch das hilft Marlies jetzt alles nichts.
    Tief deprimiert dekoriert sie weiter, öffnet unzählige Kartons, stapelt mehr Instantsuppen und andere Nahrungsmittel in die Regale, als ein durchschnittliches Drittweltland zum Überleben für ein Jahr brauchen würde, und vergräbt sich den Rest des Wochenendes in ihrem Bett. Was hätte sie jetzt alles mit Rocco erleben können! Zum Beispiel ...
    Hmm. Ja, was denn? Sie denkt an ein schweres Gewicht auf ihrem Körper, daran, wie ihr die Luft wegbleibt und die Hüften gequetscht werden. Plötzlich erscheinen ihre Fantasien ihr dagegen faszinierend leicht.
    Am Montag fällt ihr auf, dass in der Fleischabteilung, über den Exotischen Töpfchen, ein neues Poster hängt: Ein gewisser Carlos Santanos reitet auf einem wilden Pferd, umgeben von noch wilderen Stieren. Mit diesem Mann arbeiten wir zusammen!, verkündet das Plakat in stolzer Schrift. Er liefert uns Steaks direkt aus Argentinien.
    Marlies ist sofort verliebt. Sie träumt davon, wie Carlos sie auf sein Pferd zieht und mit ihr durch die unendliche Steppe galoppiert. Abends braten sie sich riesige Steaks über dem Lagerfeuer, nachts sind sie allein unter dem Sternenhimmel. Und dann –
    Ach nein, das stellt sich Marlies lieber nicht so genau vor.

5. Kapitel:
Discofieber
    Samstag
    Jetzt bloß nicht zittern , denkt Helga. Nur die Ruhe bewahren. Unbarmherzig leuchtet das Neonlicht über dem Waschtisch im Badezimmer ihrer Eltern. Jede ihrer Poren ist ein gewaltiger Krater, sorgfältig gefüllt mit Make-up. Die Lippen leuchten kirschrot, die Haare sind schwarz gefärbt und wild toupiert, nur der Lidstrich will noch nicht so recht gelingen. Verwackelt, wie sieht das denn aus?
    Helga, die sich lieber Hell nennt, weil das nicht so krass uncool klingt wie ihr richtiger Name, erinnert sich an einen Tipp aus einer Frauenzeitschrift: Ellenbogen beim Lidstrichziehen aufstützen. Also beugt sich Hell nach vorne, stützt den Arm auf, setzt den Kajalstift an – und sticht sich fast das Auge aus, als ihre Mutter ohne zu Klopfen ins Bad kommt.
    »Kind, wie siehst du denn wieder aus? Ich dachte, du wolltest mit Christiane schön ausgehen? Willst du dir nicht was Nettes anziehen?« Verwirrt betrachtet die Mutter Helgas zerrissene schwarze Strumpfhose. Bei den sommerlichen Temperaturen! Aber mit solchen Nebensächlichkeiten wie Jahreszeit oder Wetter darf man ihrer Tochter ja nicht kommen.
    Hell beschließt, Lidstrich Lidstrich sein zu lassen und den Smoky-Eyes-Look neu zu interpretieren. Mit einem kleinen Pinsel verteilt sie großzügig anthrazitfarbenen Lidschatten um die Augen herum. Danach sieht sie aus wie nach drei Wochen dramatischem Schlafentzug. Perfekt!
    »Was ist denn mit dem aktuellen Top, das wir neulich zusammen beim WaBa für dich gekauft haben, Helga?«, hakt die Mutter leicht verzweifelt nach.
    »Nenn mich bitte nicht Helga!«, stöhnt Helga. »Ich heiße Hell! Und das Top ist eingelaufen, nachdem du es gewaschen hast.«
    »Ach, das war doch eh zu groß. Warum trägst du nicht mal was nettes Bauchfreies? Immer diese finsteren Schlabberklamotten. Du siehst ja aus wie ein Gruftie!«
    »New Romantic heißt das!«
    »Aber Kind, das ist doch gar nicht mehr modern! Das gab es doch zuletzt in den Achtzigern. Heute kombiniert man doch romantische Details mit strengem Uniformstil ...«
    Helga rennt aus dem Bad und poltert in schweren Motorradstiefeln die Treppe hinunter.
    »Und einen schönen Gang machen diese Schuhe auch nicht gerade!«, ruft ihre Mutter ihr nach. Die weiß sowieso alles besser.
    Zum Glück wartet ihre Freundin Christiane vor dem Haus. Sie ist ein Jahr älter als Helga, also schon achtzehn, hat einen Führerschein und darf den Opel Astra ihrer Mutter fahren.
    »Cooles Outfit«, sagt Christiane anerkennend, als Helga zu ihr ins Auto steigt.
    Helga hat ewig überlegt, was sie anziehen soll. Das übergroße The-Cure -T-Shirt hat sie bei eBay ersteigert, den schwarzen Jeansmini mit der Schere selbst gekürzt und die Strumpfhosen – eine

Weitere Kostenlose Bücher