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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Der Abend wird für sie vielleicht doch noch ganz lustig. Rocco rührt sich nicht.
    Als die Raupenbahn endlich anhält, ist auch schon ein Rettungswagen da. Marlies klettert wie benommen aus ihrem Waggon, will zu Rocco, ihn küssen, Mund-zu-Mund-beatmen, seine Hand halten, sich wenigstens bei ihm entschuldigen oder was man sonst eben in solchen Momenten so tut. Marlies ist nicht sehr lebenserfahren, sie kennt sich nicht aus mit solchen Situationen.
    Die Sanitäter legen Rocco auf eine Trage. Marlies will zu ihm, doch jemand hält sie zurück. Hanna steht hinter ihr, ganz blass sieht sie aus, und legt ihr die Hand auf die Schulter. Marlies überlegt kurz, ob sie eine Szene machen soll, weinen, kreischen, heulen, einen feurigen Monolog über die Liebe reklamieren, aber dafür ist sie nicht der Typ. Also sieht sie schweigend zu, wie Rocco, mit dem sie heute Nacht bis zum Äußersten gegangen wäre, in den Rettungswagen verfrachtet wird. Die Sanitäter klappen die Türen zu, steigen ein und fahren ab. Das Blaulicht sieht so ähnlich aus wie die bunten Glühbirnen der Raupenbahn.
    Ihre Freundinnen stehen um sie herum, drängen die anderen Landfrauen zurück. Hanna hat ihre Schulter die ganze Zeit nicht losgelassen. »Komm mit in die Sektbar, ich gebe eine Runde aus«, sagt Tina leise.
    »Hmm-hmmm«, macht Marlies. Ihr ist nicht nach Gesellschaft zumute.
    Elsbeth Merken vom Häkelkränzchen drängt sich an Petra vorbei. Sie streicht Marlies mitfühlend über die Haare und drückt ihr ein kleines Fläschchen Likör in die Hand. »Der tröstet«, sagt sie. Dann tritt sie einen Schritt zurück, mustert die vier jungen Frauen und nickt. »Auf die Männer ist kein Verlass. Aber auf Freundinnen.«
    Petra, Hanna und Tina bringen Marlies schweigend nach Hause. Sie schleicht sich an ihren Eltern vorbei, die vor dem Fernseher eingenickt sind, zieht sich nacheinander ihre drei Sleepshirts an und wieder aus und wieder an, bis sie sich für das rosafarbene mit der Elefantenapplikation entschieden hat, legt sich ins Bett und fällt in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Am nächsten Morgen geht Marlies vor der Arbeit noch einmal auf den Festplatz. Vorsichtig schleicht sie um die Raupenbahn herum. Die Blutspuren auf den Planken sind weggewischt worden. Waren da überhaupt welche? Marlies kann sich nicht genau erinnern.
    Im Fenster des Kassenhäuschens lehnt ein Schild. Marlies geht dichter ran, um es lesen zu können. Junger Mann zum Mitreisen gesucht.
    So ein Schild könnte ich mir eigentlich auch um den Hals hängen , denkt Marlies. Vielleicht würde das ja helfen. Sie seufzt, weil sie noch nicht mal weiß, wie Rocco mit Nachnamen heißt. Sie hat ganz vergessen, ihn danach zu fragen. Die Frauen in den Heftchenromanen fragen nie nach den Nachnamen. Aber, das weiß Marlies auch, ihr Leben ist leider kein Heftchenroman. Es ist vielleicht nicht unbedingt gehaltvoller, doch längst nicht so romantisch.
    Mit düsterem Gewölk im Gemüt geht sie zu Knurres Kramerlädchen.
    »Ach, Fräulein Marlies, könnten Sie jetzt endlich mal die Mediterranen Wochen vorbereiten?«, ordnet Frau Knurre statt einer Begrüßung an. Marlies nickt und schlüpft schnell in ihren Kittel. Der Anblick des Kartons mit der Würzmischung für Gerollte Ofenschnitzel Toskana versetzt ihr einen Stich ins Herz.
    Evelyn hat mal wieder verschlafen. Kurz vor der Mittagspause kommt sie in den Laden geschlichen und hilft Marlies, der Deko einen »italienischen Kick« zu geben, wie Frau Knurre gefordert hat. Dabei erzählt Marlies Evelyn, was mit Rocco passiert ist. Sie bricht in Tränen aus.
    Evelyn reicht ihr eine rot-weiß-grüne Papierserviette. »Der war es nicht wert.«
    »Woher willst du denn das wissen?«, schluchzt Marlies.
    »Sagen wir mal so: Ich kenne mich ein wenig aus mit Männern. Ich weiß, wann sie lügen. Der hieß doch sicher noch nicht mal Rocco!«
    »Du weißt, wie Rocco richtig heißt? Mit Nachnamen?«, fragt Marlies voller Hoffnung.
    »Nein, ich weiß nur, dass er kein Italiener war. Hast du nicht gemerkt, dass der gar kein Italienisch konnte? Der hat das alles nur erzählt, weil er scharf auf eine schnelle Nummer war. Und dafür bist du doch zu schade, oder?«
    Marlies denkt an dieses eine unglückselige Erlebnis vor acht Jahren. Das war eine schnelle Nummer. Mit Rocco wäre das bestimmt etwas anderes gewesen.
    »Vergiss ihn«, rät Evelyn.
    »Aber er war meine einzige Chance!«
    »Ach quatsch«, sagt Evelyn erstaunt. »Du hast jede Menge Chancen. Du bist

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