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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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noch ein weiter Weg. Aber sie ist sich plötzlich sicher, dass ihr Plan funktionieren wird. Sie wird zu Ritschie gehen, ein wenig mit ihm plaudern und dann wird er ihr ganz selbstverständlich anbieten, sie nach Hause zu fahren. So wird es sein. Ganz sicher.
    Helga macht sich wieder auf den Weg in die Großraumdisco. Sie dreht sich noch mal um und winkt Christiane und Marco, aber die kleben schon wieder Mund an Mund aneinander. Helga muss an die Putzerfische denken, die sich im Aquarium ihres Augenarztes breitmäulig an der Scheibe festschmatzen.
    Die Laser-Show in der Großraumdisco wird mittlerweile durch Kunstnebelschwaden effektvoll ergänzt. Immer wieder leuchtet eine Laser-Karikatur des Chefs auf den dichten Wolken auf – er hält es für einen guten Gag, so stets Präsenz zu zeigen. Dazwischen springen rot schimmernde Delfine herum. Die Gogo-Tänzerinnen in ihren Käfigen hängen inzwischen über der Tanzfläche, sind aber wegen der optischen Gewitterstimmung kaum mehr zu erkennen.
    Die Tanzfläche ist voll, aber strikt in Segmente geteilt. In der einen Ecke stehen die Heavy-Metal-Fans und lassen ihr längliches Haupthaar systematisch kreisen, ohne dabei ihre Füße auch nur einen Millimeter zu bewegen. Manche beschreiben mit der Pracht Achten, andere beherrschen kompliziertere Figuren.
    Die Hip-Hop-Ecke versucht sich im Breakdance, Brechtanz, wie die Metal-Fans den Versuch nennen, möglichst lässig und akrobatisch auszusehen, während man sich das Handgelenk verstaucht, den Oberschenkelmuskel zerrt und die Haarwurzeln auf dem Oberkopf in unendlicher Drehung der Tanzfläche opfert.
    Ein paar ganz in Schwarz gekleidete Gestalten – sie sehen ein bisschen aus wie Helga, aber die kann mit denen nichts anfangen – wiegen ihre Körper phlegmatisch. Sie machen zwei Schritte vor, zwei Schritte zurück, starren dabei den Boden an und lassen die Arme bedeutsam kreisen.
    Ein Rockabilly versucht mit einer Frau im Petticoat eine Hebefigur, muss jedoch mit schmerzverzerrtem Gesicht mittendrin aufgeben. Die Tanzpartnerin, die Grazie und Gewicht eines Kartoffelsackes hat, lässt er einfach fallen.
    Wie buntes Konfetti lassen zwischen den einzelnen Gruppen die Christina- und Paris-Lookalikes ihre gepiercten Bauchnäbel vibrieren. Sie schütteln und schütteln und schütteln tapfer alles, was sie haben, auch wenn es noch nicht viel oder schon etwas aus der Form geraten ist.
    Helga hält auf Ritschie zu, doch der ist leider noch mit Miss-Wet-T-Shirt beschäftigt. Um ihn herum lagern seine Kumpel und die anderen Kandidatinnen. Alle trinken Korn. Der Chef ist großzügig, das geht aufs Haus. Aber nur der Korn, Cola kostet nach wie vor drei Euro. Die Kandidatinnen tragen noch ihre nassen T-Shirts, wahrscheinlich ist das vertraglich so vorgeschrieben.
    Ich muss ihn irgendwie auf mich aufmerksam machen , denkt Helga. Er muss mich sehen. Sie platziert sich strategisch günstig in Ritschies Blickfeld auf der Tanzfläche und beginnt, sich zu bewegen. Sie kann sich stilistisch nicht so recht festlegen, weiß noch nicht ganz, was das werden soll, doch dann erinnert sie sich an die Videoclips von Shakira, Britney Spears und Christina Aguilera. Sie dreht und kreist und geht mit gespreizten Beinen in die Hocke, zieht eine ziemliche Show ab, obwohl das in den schweren Stiefeln gar nicht so leicht ist.
    Doch Ritschie beachtet sie nicht. Er lacht entweder brüllend über einen Spruch seiner Freunde oder charmiert das feuchte Flittchen mit der Schärpe.
    Ich muss direkt an ihn ran , beschließt Helga. Für diese Aktion würde sie sich gerne Mut antrinken. Ihr Geld reicht aber nur noch für zwei Baileys. Das muss reichen , denkt sie und sucht sich einen Platz am Tresen möglichst dicht bei Ritschie. Dafür nimmt sie sogar in Kauf, in einer Pfütze zu stehen, die sich aus dem Wasser gebildet hat, das kontinuierlich aus den nassen T-Shirts tropft. Macht nichts in den dicken Stiefeln. Die Gruppe um Ritschie beachtet sie nicht. Die Jungs machen grobe Scherze, und die nassen Schlampen kichern.
    Und immer wieder gibt es eine neue Flasche Korn.
    »Mensch, bald haben wir Abi, dann sind wir frei!«, grölt Ben, auch ein Typ aus der Schule. Er will mit seinem Freund Romeo anstoßen, doch der guckt ganz traurig.
    »Ey, was hast du denn? Abi! Freiheit!«, jubelt Ben und schüttet schon mal den Korn in sich rein. »Ist doch geil!«
    »Musurbuneswer«, nuschelt Romeo so leise, dass Helga es kaum versteht. Was soll das denn heißen? Sie transkribiert: Muss

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