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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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das hätte lässiger ausgesehen! – , findet sie, zieht sie raus und überreicht sie Ritschie. Der nimmt das Geschenk mit dem selbst gebastelten Cover (ein schattiges Foto von einem düsteren Baum, verziert mit aufgeklebten Strass-Steinchen, die im richtigen Licht funkeln) verblüfft entgegen.
    »Danke«, sagt er, ein wenig verwirrt.
    »Guck mal, Jochen, wie romantisch!«, mischt sich Lars in diesen romantischen Moment ein und bedeutet einem der anderen Typen, die um Ritschie herumlungern, dass hier gerade etwas besonders Komisches passiert. »Das Fetzenmädchen hat ihm eine CD gebrannt. Wie uncool ist das denn?«
    Helga sagt nichts.
    »Wie heißt du?«, fragt Ritschie.
    »Hell!«, antwortet Helga.
    »Wie dunkel?«
    Helga schüttelt verwirrt den Kopf. Sie spürt, dass das hier gerade irgendwie schiefläuft.
    »Oder wie Hölle«, grunzt Lars und grölt dann, frei nach Wolfgang Petri: »Wahnsinn! Warum schickst du mich in die Höööööölleeeee! Hölle! Hölle! Hölle!«
    Zu Helgas Entsetzen stimmen nicht nur die anderen Kumpels, sondern auch Ritschie in den Chor ein. Der Mut verlässt sie so schnell, wie er gekommen ist. Miss-Wet-T-Shirt, jetzt trockengelegt, aber noch genauso durchsichtig, steht wieder neben Ritschie und legt besitzergreifend den Arm um ihn.
    »Noch was?«, fragt Ritschie in Richtung Helga.
    Die rafft ihr letztes bisschen Elan zusammen, hofft, dass sie ihr Ziel doch noch erreichen kann und fragt: »Äh, ja, ich wollte dich fragen, ob ich nachher vielleicht bei dir mitfahren kann?«
    »Aber du wolltest doch mich nach Hause fahren. Das hast du mir versprochen!«, mault Miss-Wet-T-Shirt präventiv.
    »Klar, Süße!«, sagt Ritschie. Aber nicht zu Helga, sondern zu seiner frisch getrockneten Miss.
    Helgas Hoffnung schwindet so schnell wie das Laserstrahlschloss. In ihr macht sich trübe Finsternis breit.
    »Willst du 'nen Korn?« fragt Ritschie und schwenkt die Flasche vor ihrer Nase herum. Helga ist kurz versucht, die Einladung anzunehmen, doch da reißt Lars ihm die Flasche aus der Hand und johlt: »Verschwende doch den guten Stoff nicht an die Fledermaus!«
    Alle lachen, außer Helga. Sie versteht nicht, was daran komisch sein soll.
    »Na denn«, sagt Ritschie in ihre Richtung, »du siehst ja: Wir sind beschäftigt.« Er steckt die CD lässig in seine Jackentasche und widmet sich dann Miss-Wet-T-Shirt. Helga ist aus seinem Sichtfeld und damit wohl auch aus seinem Hirn verschwunden.
    ***
    Helga stürmt los, weil sie spürt, wie sich das Wasser in ihren Augen sammelt, als hätte Ritschie mit dem roten Eimer einen kalten Schwall über ihr ausgegossen. Dabei ist es nur eine winzige Träne, die sich mühsam an den dick getuschten Wimpern vorbei den Weg die Nase entlang und über die Wange bahnt und dabei eine schwarze Lidschattenspur hinter sich herzieht. Das gibt dem selbst kreierten Smokey-Eyes-Look etwas mitreißend Ausdrucksvolles, aber das weiß Helga nicht. Sie weiß nur, dass sie sich nicht die Blöße geben will, vor ihrem geliebten Ritschie und seiner abartigen Posse zu heulen.
    Helga zieht sich in die dunkelste Ecke zurück, in die Bar ganz am Ende der Kopfsteinpflasterstraßenimitation. Sie setzt sich auf einen Hocker, stützt die Ellenbogen auf die Theke und legt den Kopf in beide Hände. Neben ihr knutscht ein Paar. Widerlich , denkt Helga, diese aufgedonnerte Friseuse und irgendein Muskelkerl. Dann muss sie erst recht heulen. Alle sind glücklich, nur ich nicht. Das Leben ist scheiße. Dieses Thema variiert ihr Gehirn mehrfach über geraume Zeit, bis ihm nichts Neues mehr dazu einfällt.
    Immerhin hat er meine CD genommen , versucht Helga sich zu trösten. An diesem Gedanken klammert sie sich fest: Er hat meine CD genommen und er wird sie hören. Und dann wird er erkennen, dass wir zusammengehören. Vielleicht hat er es jetzt schon gespürt, er hat sich nur nicht getraut, das vor seinen Freunden zu zeigen. Er ist einfach nur schüchtern. Immerhin hat er »Danke!« gesagt. Genau, er hat sich bei ihr bedankt! Das ist doch schon mal was! Alles Weitere wird sich finden. Ihr Leben ist eben keine billige Soap, wo man sich sofort in die Arme fällt. Nein, es muss Irrungen und Wirrungen geben, und die muss sie durchstehen, um am Ende mit der wahren Liebe belohnt zu werden. Vielleicht ja noch heute Nacht?
    Dann fällt ihr noch etwas ein: Wie soll sie jetzt nach Hause kommen? Sie macht sich auf die Suche nach Christiane. Vielleicht ist die ja noch da, sehr mobil sahen Marco und sie nicht gerade aus.

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