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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Christiane.
    »Was wollte ich?« Helga sieht an ihrem schwarzen The-Cure -T-Shirt hinab und bezweifelt, dass das in nassem Zustand wesentlich anders aussehen würde. »Ach ja, na klar, wir sehen uns später«, verabschiedet sie sich dann.
    Miss-Wet-T-Shirt – so was Absurdes, denkt Helga. Wo man doch in Norddeutschland froh sein kann, wenn es ausnahmsweise mal nicht regnet.
    Aus den Boxen wummert ein weiterer Schüttel-was-du-hast-Song, die Laserblitze zucken hysterisch. Auf der Bühne der großen Disco stellen sich die Kandidatinnen auf. Helga fragt sich, welcher Teufel die Mädchen wohl geritten hat, da mitzumachen.
    Ein Opel Tigra Twin Top fährt auf die Bühne, das neue Cabrio-Model, dessen Verdeck man in achtzehn Sekunden öffnen und schließen kann – per Knopfdruck! »Und das ist unser Hauptgewinn!«, verkündet der Chef, der es sich nicht nehmen lässt, solche Top-Veranstaltungen selbst zu moderieren. »Großzügig gestiftet vom Opelhaus Lüdersen! Wir danken dem edlen Spender!« Der Chef verschweigt – oder hat er es verdrängt? –, dass der Opel nicht etwa, wie es gerade für alle den Anschein hat, der Gewinnerin gehören wird. Nein, abgemacht ist nur, dass diese den Wagen ein Wochenende lang fahren darf. Von Samstagmittag um 12.00 Uhr bis Sonntagabend um 18.00 Uhr. Pünktlich abgeben! Den Sprit muss sie natürlich selbst bezahlen. Doch das steht alles im Kleingedruckten, sorgfältig ausgefeilt von Frau Lüdersen.
    Jetzt machen die Teilnehmerinnen »Ahhhh!« und »Ohhhh!« und große Augen. Ein Auto als Aphrodisiakum, das funktioniert in Gegenden, in denen öffentlicher Nahverkehr nur in homöopathischen Potenzen existiert. Helga ärgert sich ganz kurz, dass sie nicht mit auf der Bühne steht.
    »Jetzt brauchen wir ein paar Freiwillige!«, ruft der Chef so laut ins Mikrofon, dass man ihn auch ohne Verstärkeranlage verstanden hätte. Die heterogene Menge vor der Bühne sieht ihn ratlos an. »Unerschrockene junge Männer, die sich trauen, hier aktiv mitzumachen!«
    Keiner meldet sich.
    »Kerle, die sich trauen, diesen entzückenden Mäusen hier einen ordentlichen Schwall Wasser über die T-Shirts zu kippen!«
    Die Männer im Publikum johlen, die Frauen kreischen.
    »Na, wer möchte? Wer nicht will, der hat schon!« Die Stimme des Chefs überschlägt sich, der DJ spielt einen Tusch nach dem anderen.
    »Was gibt es denn dafür?«, fragt jemand aus dem Publikum.
    »Danach dürft ihr die Mädels eigenhändig trockenrubbeln!«, verspricht der Chef. Die Kandidatinnen gucken entsetzt. Die Jungs im Publikum johlen begeistert.
    »Hey, Girls, war nur ein Scherz!« Kleine Pause. »Das übernehme ich natürlich höchstpersönlich!«
    Das ist ja alles widerlich, denkt Helga. Sie will gerade in die kleine Disco überwechseln, da melden sich die ersten Freiwilligen. Der Chef verspricht ihnen »Korn aufs Haus bis zum Umfallen«. Na toll. Doch dann entdeckt Helga Ritschie. Er reckt seinen Arm hoch, schnipst mit dem Finger wie ein Streber und springt dabei auch noch auf und ab, angefeuert von seinen Kumpels. Er wird ausgewählt, erklimmt die Bühne und steht da, in all seiner Pracht und Schönheit, die Helga ganz schwach macht. Nein, durchfährt es sie, was soll denn das, er da oben und ich hier unten? Er soll doch bei mir sein oder ich bei ihm ... Warum habe ich mich bloß nicht beworben? Er würde mir einen Eimer Wasser über mein T-Shirt kippen und dabei mein wahres Ich erkennen! Unsere Seelen würden sich vereinigen, nichts könnte uns mehr trennen, und wir würden gemeinsam mit dem Opel Tigra Twin Top davonfahren ...
    Helga rennt zum Bühnenrand, zu einem Typen mit Klemmbrett in der Hand. Er trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck Jury – hier entscheide ich.
    »Was muss ich tun, um mitzumachen?«, fragt Helga. Ihr ist ganz schlecht vor Nervosität.
    »Du?« fragt der Typ entgeistert. »Du willst mitmachen?«
    »Ja. Als Kandidatin!«
    Er mustert Helga von oben bis unten. Sie kommt ihm vor wie eine kleine Spinne, die sich aus Versehen in ihrem Netz verheddert hat. »Warum das denn?«
    »Ist doch egal! Kann ich nun mitmachen?«, drängt Helga.
    »Nee, lass mal, der Wettbewerb ist voll und das kann sowieso nur der Chef entscheiden, und der ist jetzt beschäftigt, siehst du doch.«
    Der Chef verteilt Eimer an die Freiwilligen. Ritschie bekommt einen knallroten. Die Farbe steht ihm , denkt Helga.
    »Aber dein T-Shirt, da steht doch ...« stammelt sie.
    »Musste ich anziehen. Befehl von ganz oben. Und guck dich doch an –

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