Frischluftkur: Roman (German Edition)
auf. Und mit dem richtigen Make-up denkt eh jeder, dass wir nicht von hier sind.«
***
Zur gleichen Zeit sitzt Romeo mit seinen Freunden Ben und Marco im Partykeller der Eltern. Die jungen Männer, alle Anfang zwanzig, haben ebenfalls das Wochenblatt vor sich aufgeschlagen.
»Ey, wie geil ist das denn?«, staunt Marco.
»Der neue Puff ist endlich fertig! Da müssen wir hin! Eine einmalige Gelegenheit. Guckt mal, was da steht: Scharfe Eröffnungsangebote – fünfzig Prozent Rabatt auf alles!« Ben reibt sich lüstern über sein T-Shirt.
Nur Romeo hält sich zurück. Er ist der Sohn des Salatbauern Hermann Montag. Und Montag-Salate, das ist nicht irgendeine kleine Popelhobbyzüchtergärtnerei, nein, das steht für das größte zusammenhängende Salatanbaugebiet Europas. Das ist eine Marke, das hat Renommee! Sein Vater ist unendlich stolz auf das grünblättrige Lebenswerk der Familie und erwartet, dass sein einziger Sohn in diese Fußstapfen tritt.
Hermann Montag ist eine große Nummer in der Gemeinde – und sein Erzfeind heißt Uwe Kappel. Der Mann, dem neben diversen Rotlichtetablissements nun auch die Puderdose gehört.
Seit jeher hassen sich die Montags und die Kappels. Was der Auslöser dieser alten Familienfehde war, die sich bereits über mehrere Generationen erstreckt, ist nicht mehr genau zu rekonstruieren. Entweder ging es um einen hinkenden Esel, den Ururgroßvater Montag Ururgroßvater Kappel verkauft hat oder um ein hinkendes Mädchen, das der eine dem anderen angeblich ausgespannt haben soll. Niemand weiß es mehr so genau, aber die Wut und der Hass aufeinander ist routiniert und nach wie vor glühend. In Knurres Kramerlädchen schnappen sich die Frauen die Sonderangebote weg und rammen sich gegenseitig beherzt die Einkaufswagen in die Hacken. Bei den Gemeinderatswahlen wird erbittert Wahlkampf gegeneinander geführt. Wenn es um Bau- oder sonstige Genehmigungen geht, drehen und bestechen die Herren so lange, bis der andere garantiert nicht das bekommt, was er wollte – und was ihm vielleicht sogar zugestanden hätte. Die Antipathie erstreckt sich bis auf die Angestellten. Montags Salatpflücker meiden – offiziell zumindest – Kappels Etablissements. Und dessen Animierdamen würden niemals öffentlich ein Salatblatt anrühren.
Romeo hat sich aus dem Streit bislang so weit wie möglich herausgehalten. Ihm ist der Zwist egal, »Affenzirkus«, wie er sich ausdrückt. Trotzdem meidet er die Kappels, erstens, um keinen Ärger mit seinem Vater zu bekommen, zweitens, weil seine Mutter vor Schreck und Scham in Ohnmacht fiele, wenn ihr zu Ohren käme, dass ihr Sohn »zu den Nutten geht«, wie sie es nennen würde. Sie hat eine eher romantische Ader, deshalb hat sie ihren Sohn auch Romeo genannt, ohne allerdings je Shakespeare gelesen oder das Stück auf der Bühne gesehen zu haben. Eigentlich sollte Romeo Sascha heißen, nach Sascha Hehn, der ihr als Traumschiff -Steward und als fescher Arzt in der Schwarzwaldklinik so gut gefallen hat. Aber damit ist sie bei ihrem Mann nicht durchgekommen. Romeo hat er so gerade eben akzeptiert, vielleicht, weil der Name ihn an Römersalat erinnert hat.
Neulich, im Schädel, der örtlichen Disco, hat Romeo ein Mädchen kennengelernt, das ihm sehr gut gefallen hat. Nein, eigentlich eine Frau. Rosa-Linda. Die Rosi. Sie haben herumgeschäkert, ein paar Bierchen gekippt. Seither muss er öfter an sie denken. Seine Freunde lästern, dass man »auf einer alten Fregatte am besten segeln lernt« – eine etwas unhöfliche Anspielung auf Rosis geschätztes Alter, irgendwas knapp jenseits der vierzig. Und nun will Ben »über todsichere Quellen« herausgefunden haben, dass Rosi im Puderdöschen arbeiten wird. Das schockiert Romeo einerseits, andererseits würde er sie schon gerne wiedersehen. Und sich natürlich selbst davon überzeugen, ob diese ungeheuerliche Vermutung stimmt.
»Da müssen wir hin!«, röhren Ben und Marco gleichzeitig.
»Aber, Jungs, ihr wisst doch, das ist Kappels Laden«, sagt Romeo. »Da kann ich nicht hin. Ich würde außerdem sofort wieder rausfliegen und ihr mit.«
»Ach, wir setzen einfach Sonnenbrillen auf, dann erkennt uns keiner«, schlägt Marco vor.
»Sonnenbrillen drinnen? Wie affig ist das denn?«, entgegnet Romeo.
»Glaubst du, wir werden als Einzige maskiert kommen? Da will doch niemand erkannt werden. Ich wette, der Parkplatz wird leer sein, weil niemand riskiert, dass man sein Auto dort identifizieren kann«, sagt Marco.
»Und dann
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