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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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verzagen, Klempnermeister Reelfs fragen hervor. »Gut, dass ich damals beim Landfrauenseminar aufgepasst habe.«
    »Bei welchem?«, will Petra erstaunt wissen. Sie erinnert sich an die Vorbereitung auf die Wechseljahre, den Intensivkurs Serviettentechnik, Leichte Küche aus Böhmen ...
    »Masken basteln – venezianischer Karneval in der Norddeutschen Tiefebene«, erklärt Tina. Sie verteilt über und über mit Flitter bestäubte Augenmasken, dazu den passenden Lippenstift.
    So ausgerüstet trauen sich die Damen – bis auf Hanna, die vorsichtshalber trotzdem eine Maske aufgesetzt hat – aus dem Auto. Petra und Tina wundern sich ein wenig, dass Marlies sich nicht sträubt, sondern einfach so mitmacht, aber das ist ihnen durchaus recht.
    Am Hintereingang des Puderdöschens, das von außen einer schlichten Lagerhalle gleicht, werden sie von einem dicken Mädchen begrüßt: »Ihr seht ja lustig aus! Seid ihr die Servicekräfte? Ich bin Jule. Ihr könnt mir gleich bei den Schnittchen helfen!«
    Die Landfrauen helfen gehorsam beim Anrichten und Dekorieren der unglaublich vielen Schnittchen, die Jule zubereitet hat. Sie drücken hartgekochte Eier durch den Eierschneider, schnitzen Radieschen, Möhrchen und Gürkchen zurecht und kommen sich inmitten des mehr oder weniger phallischen Gemüses schon leicht frivol vor. Und ein bisschen, als würden sie einen Skatabend vorbereiten.
    Im Barraum des Puderdöschens laufen abwechselnd zwei Songs: Je t'aime und Sexual Healing. Uwe Kappel wartet noch auf den eigens engagierten Erotik-DJ. Dieser Eröffnung soll es an nichts fehlen, er hat sich nicht lumpen lassen. Sogar den Animierdamen hat er neue Künstlernamen gegeben: Yvette, Denise, Lolette – alles französisch, also mit Stil. Leider kann er sich die nicht merken, deshalb brüllt er jetzt ständig alle Namen durcheinander, in der Hoffnung, es möge die kommen, die er meint. Doch der Andrang ist schon jetzt so groß, dass alle beschäftigt sind. Das freut ihn, er lässt die Brüllerei und gönnt sich lieber noch einen Begrüßungscocktail, Steife Brise mit Tigerhoden, und gibt den drei Jungspunden am Tresen neben sich auch noch einen aus. »Alle Damen hier stehen euch zur Verfügung«, sagt Kappel mit gönnerhafter Handbewegung. »Gut Schuss, Jungs!«
    ***
    Romeo ist nervös. Er hat Angst, dass Uwe Kappel ihn erkennt und rausschmeißt, doch der Bordellwirt schöpft keinen Verdacht.
    Romeo sieht sich nach Rosi um, aber die scheint gerade Kundschaft zu haben, zumindest ist sie sehr vertieft in ein Gespräch mit einem graumelierten Herren, dem sie immer weiter auf die Pelle rückt. Dabei werden ihre Brüste nur noch notdürftig von einer Leder-Gummi-Korsage gehalten. Romeo findet das nicht so schick. Trotzdem zwinkert er ihr zu, was aufgrund seiner überdimensionierten Sonnenbrille eventuell keine optimale Idee ist. Rosi reagiert nicht.
    Romeo, leicht enttäuscht, lässt den Blick weiter schweifen. Der Raum ist dunkelrot tapeziert, wenn man über die Wände streicht, fühlen diese sich samtig an. Um niedrige runde Tische herum stehen gemütliche Sessel, die jeweils Platz für eineinhalb Sitzende bieten. In der Mitte gibt es eine runde Bühne, davor führt ein Laufsteg zu einem schweren Samtvorhang. Über der Bar hängen Lampen mit roten Glühbirnen. Der ganze Raum sieht aus wie eine perfekte TV-Kulisse für eine Puff-Szene. So hat sich Romeo immer die Bars auf St. Pauli vorgestellt – nur dass er sich da, angeblich wegen der hohen Getränkepreise, nie hineingetraut hat.
    Romeo wirft noch einen Blick zu Rosi hinüber. Eine tiefe Enttäuschung macht sich in ihm breit. Nein, die ist es nicht , denkt er betrübt. Ich habe mich in ihr getäuscht. Dabei haben wir so schöne Zeiten miteinander verbracht. Also, zumindest die Viertelstunde, die sie im Schädel miteinander gesprochen haben.
    »Ich glaube, ich geh dann mal«, murmelt er, so leise, dass ihn seine Freunde nicht hören und deswegen keinen Widerspruch erheben können. Romeo steht auf – und lässt sich sofort wieder auf den Barhocker fallen. Seine nicht sehr ausgeprägte Kinnlade sackt herunter. Hinter dem Tresen ist eine Frau erschienen. Eine Frau, wie er sie schöner noch nie gesehen hat: so präsent, robust, patent. Eine Frau wie ein Fels, wie ein Sofakissen, eine zum festhalten und anlehnen. Mit flinken, grazilen Bewegungen arrangiert sie Schnittchen auf einem spermaförmigen Metalltablett. Im Gegensatz zu den anderen Servierdamen trägt sie keine Maske und ist auch kaum

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