Frischluftkur: Roman (German Edition)
geschminkt. Ihre Nase glänzt im Schummerlicht, ihr blondes Haar umrahmt zart ihr rundes Gesicht. Sie sieht aus wie ein leuchtender Mond.
Romeo ist völlig verzaubert. Zwar hat er keine Ahnung, wer diese Frau ist, die mindestens doppelt so viel wie die anderen Damen und dreimal so viel wie er wiegt, aber er weiß: Er will sie erobern! Ihr Herz gewinnen! Sie heiraten! Mindestens! Romeo merkt, dass er in diesem Moment zum ersten Mal in seinem Leben etwas wirklich will. Mit allen Fasern, Poren, Zellen und was der Körper sonst noch an Biomasse zu bieten hat. Dieses Gefühl ist ihm völlig neu, sonst verhält er sich seiner Umwelt gegenüber eher indifferent und wählt den Weg des geringsten Widerstands.
»Ey, guck mal, die da«, haucht Romeo verzückt und zerrt an Bens Ärmel. »Guck dir diese Frau an. Die will ich heiraten!« Romeo nimmt seine Sonnenbrille ab, um die Angebetete besser betrachten zu können. »Das ist endlich eine richtige Frau, nicht so eine Spinatwachtel.«
»Nee, wohl eher eine mächtige Wachtelkönigin«, grinst Ben. In Ornithologie sind beide nicht besonders bewandert, deshalb fallen ihnen auch keine besseren Vergleiche ein.
»Mach dich nicht über mich lustig!«, droht Romeo. »Ich meine es ernst: Das ist die Frau meines Lebens! Sie ist ... vollkommen!«
Die Jungs haben nicht bemerkt, dass Tyron, der Türsteher, neben ihnen steht. Er beobachtet sie argwöhnisch. Was starren die Jungspunde so zur Tochter des Chefs rüber? Und ist das nicht ...? Tyron erkennt Romeo. Seine geschorenen Nackenhaare stellen sich auf wie bei einem aggressiven Hund. Nervös läuft er hin und her, unschlüssig, was er tun soll. Dann geht er direkt auf Romeo los und packt ihn am Kragen. Dabei fällt der schmale Knabe fast aus seinem Hemd. Ben und Marco springen von ihren Barhockern auf. Tyron schüttelt Romeo und droht: »Ich donner dir gleich so eine rein, dass du denkst, dein letztes Vögelein hätte gepiept! Ich zerfetze dich mit meinen Zähnen, dass du dir wünschst, du wärst als Cheeseburger auf die Welt gekommen! Ich beiße dir das Ohr ab wie dieser ... na, wie hieß er noch ... dieser ...!«
Der Bordellchef, der beim ersten Anzeichen des Tumultes herbeigeeilt ist, hält seinen menschlichen Pitbull zurück. »Lass man, Tyron, der Junge hat doch nichts gemacht. Ich will keinen Ärger hier im neuen Laden.«
Tyron knurrt, als würde man ihm seinen Knochen wegnehmen, lässt dann aber Romeo los.
»Hunde, die bellen, beißen nicht«, zischt Ben Marco zu. Leider ein wenig zu laut, Tyron hat es gehört und geht nun auf Ben lös.
»Tyron!«, ruft Kappel streng. »Geh mal wieder auf deinen Platz am Eingang und mach Gesichtskontrolle!« Tyron grummelt ein wenig, trollt sich aber, nachdem er Romeo ein finsteres »Das wirst du mir büßen! Wir rechnen später miteinander ab!« zugeraunt hat.
In Tyron kocht und brodelt es. Der Mann ist ein Vulkan, kurz vor dem Ausbruch. Zähneknirschend begrüßt er am Eingang die neuen Gäste, die sich erwartungsfroh an ihm vorbeidrängen.
»Was war das denn?«, fragt Ben Romeo.
»Keine Ahnung, so eine Dampfwalze halt.«
»Nein, Romeo, das ist mir schon klar. Ich meine, was war denn das, was du da vorher gesagt hast. Über die Frau?« Ben guckt ein wenig ungläubig zum Tresen. Dort steht Jule und stopft sich eines der Schnittchen in den Mund. Im Ganzen, ohne abzubeißen.
Romeo lächelt verzückt. »Sie ist vollkommen!«, wiederholt er schwärmerisch.
»Du bist vollkommen gaga«, sind sich Ben und Marco einig. Aber sie können nicht verhindern, dass Romeo – wie von magischen Fäden gezogen – auf Jule zusteuert. Dabei rempelt er Tina an, die auf ihren Plateauschuhen und mit einem Tablett in der Hand arg ins Schwanken gerät. Aber Romeo bemerkt sie gar nicht, er hat nur Augen für Jule.
Als er vor ihr steht, weiß er nicht, was er sagen soll.
»Möchtest du einen Orgasmus?«, fragt sie ihn, den Mund noch halb voll.
»Einen was?« Romeo ist verwirrt. Sie kann nicht gesagt haben, was er meint, gehört zu haben.
»Einen Orgasmus«, wiederholt Jule deutlicher. »Möchtest du einen?«
Am liebsten hätte Romeo »Ja, gerne, sofort« geschrien und sich auf sie gestürzt. Aber er weiß, dass das nicht richtig wäre. Er hat das Gefühl, dass seine Liebe zu ihr größer ist, wertvoller. Hier geht es nicht um schnelle Befriedigung. Diese Beziehung soll für immer halten.
»Nein, danke. Sehr freundlich. Die Schnittchen sehen aber sehr lecker aus!«, antwortet er.
»Die habe ich
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