Frischluftkur: Roman (German Edition)
gemacht!«, sagt Jule stolz. Dass jemand ihre Schnittchen lobt, das ist noch nie vorgekommen. Die anderen Männer im Puderdöschen und ähnlichen Etablissements haben einfach keinen Sinn für die wirklich schönen Dinge im Leben wie zum Beispiel Essen. »Nimm dir doch eins. Die mit Mett und Zwiebelringen sind besonders gelungen – ist natürlich Geschmackssache. Mag ja nicht jeder Zwiebeln.«
»Ich liebe Zwiebeln!«, schwärmt Romeo. Am liebsten hätte er natürlich Ich liebe dich gesagt, aber er will nichts überstürzen.
»Und du willst wirklich keinen Orgasmus? Das ist hier der Hausdrink. Sambucca mit Baileys. Total lecker!«
»Ach, wenn das so ist«, antwortet Romeo, erleichtert, dass es sich um so etwas Harmloses wie einen Drink handelt, dann nehme ich doch einen. Aber nur, wenn du einen mit trinkst.«
»Okay«, sagt Jule und gießt zwei Schnapsgläser erst halb mit Sambucca voll, füllt sie dann vorsichtig mit Baileys auf und schiebt eins zu Romeo rüber.
Er hebt das Glas und will mit ihr anstoßen: »Auf die schönste Frau, die mir je begegnet ist!«
»Und wer soll das sein?«, fragt sie skeptisch.
»Na«, antwortet Romeo erstaunt, »du natürlich!«
»Verarschen kann ich mich selbst!«, antwortet Jule eingeschnappt. Sie hat es satt, dass alle sich über sie lustig machen, nur weil sie nicht so verführerisch aussieht wie die anderen Frauen im Puderdöschen. Sie kann ja nicht ahnen, dass Romeo es ernst meint.
»Nein, wirklich!«, erwidert er. »Du bist ... bezaubernd. Du bist toll. Ich finde dich einfach umwerfend! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Und diese Schnittchen – köstlich!«
»Jaja«, antwortet Jule. Vielleicht ist das ja auch nur eine von diesem plumpen Anmachen.
»Sag mal, womit hast du die gewürzt? Das schmeckt so pikant!«, macht Romeo weiter.
Jetzt fühlt sich Jule wirklich geschmeichelt. Die Würzmischung ist ein Spezialrezept von ihr, selbst ausgedacht. Danach hat noch niemand gefragt. Sie ist sich noch nicht mal sicher, ob das bisher überhaupt jemand bemerkt hat.
Da ist ein winziger Hauch Kümmel drin«, sagt sie. »Mehr verrate ich aber nicht. Eine Frau muss schließlich ihre Geheimnisse haben.«
Ich liebe Frauen mit Geheimnissen!«, schnurrt Romeo.
»Und ich liebe Männer mit gutem Geschmack«, schmeichelt Jule zurück.
Auf dieser Ebene turteln sie weiter, er raspelt Süßholz, sie errötet zart (das kann man natürlich wegen der eh schon roten Beleuchtung nicht sehen) und senkt lächelnd den Blick.
Das bleibt auch Tina, Marlies und Petra nicht verborgen. »Guck mal, unsere Chefin und der kleine Salatbauer«, flüstert Petra Tina zu. »Da geht doch was!«
»Und ob«, erwidert Tina. »Ich spüre very sexual vibes! Ach, wenn ich das doch auch noch mal erleben könnte ...« Sie wirft einem eleganten Anzugträger einen koketten Seitenblick zu, der allerdings im Flitter ihrer selbst gebastelten Maske hängen bleibt. Immerhin: Ihre Männer haben sich noch nicht im Puff blicken lassen. Aber dafür haben sie schon diverse andere Kerle identifiziert: den Ortsbrandmeister, den Schützenkönig und seine Adjutanten, die halbe Altherren-Fußballmannschaft. »Ich dachte, dass sich die Montags und die Kappels spinnefeind sind«, sagt Petra. Als Zugezogene muss sie sich manchmal noch vergewissern, ob sie die gesellschaftlichen Strukturen und Verflechtungen auch richtig durchschaut.
»Ja, natürlich«, sagt Tina. »Das macht es ja so aufregend! Aber ich glaube nicht, dass die beiden wissen, mit wem genau sie da flirten. Die können sich gar nicht kennen. Jule geht nie zu den Feuerwehrbällen und Schützenfesten. Und Romeo war bestimmt noch nie im Puff – so unsicher, wie der sich benimmt. Ist das nicht süß, wie die beiden flirten? Hach, da geht einem ja das Herz auf! Hoffentlich geht das gut!«
Bestimmt nicht , befürchtet Marlies. Sie denkt an ihren Rocco, an Helgas Ritschie ... Und in diesem Moment weiß sie, dass sie alles tun wird, um die aufkeimende Liebe des jungen Paares zu schützen.
Romeo und Jule sind inzwischen beim Austausch der harten Fakten angelangt. »Verrätst du mir deinen Namen?«, fragt Romeo.
»Jule«, haucht Jule, »ich heiße Jule.«
»Ein wunderschöner Name!«, antwortet Romeo.
»Und wie heißt du?«, will Jule wissen.
»Romeo.«
Erst muss sie lachen – doch dann wird sie wütend. »Romeo, ja? Du verarschst mich doch die ganze Zeit! Und ich dachte schon, dir wäre wirklich was an mir gelegen!«
Romeo guckt verdutzt. »Nein, ich heiße
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