Frischluftkur: Roman (German Edition)
den Wagen, mit denen die Herren fahren, steht groß Oberflächenentwässerung und im Schaukasten für Bekanntmachungen der Gemeinde hängt ein Zettel: Die Maßnahmen zur Oberflächenentwässerung gehen weiter. Darunter wird genau erklärt, wann was gemacht wird und weshalb, alles in Beamtendeutsch, deshalb eher langweilig und nicht wirklich verständlich. Spannender ist da schon die Ankündigung von Dreharbeiten, die demnächst im Dorf stattfinden sollen.
Einer der fremden Herren wird fast von Zitterkalle mit dem Trecker überfahren. »Was haben Sie auch auf einer Wiese zu suchen?«, ruft er grummelig. »Hier ist ja nun wirklich keine Oberflächenentwässerung nötig.« Der Anzugträger murmelte etwas von »Regenrückhaltebecken« und verschwindet dann schnell in einem Gebüsch. Komisch, denkt Zitterkalle und fährt weiter über die Felder.
Ob er nachher noch auf einen Sprung in den Dorfkrug gehen soll? Vielleicht ist jemand da, der ihm ein paar Bier ausgibt ... obwohl das in letzter Zeit immer seltener vorkommt. Zitterkalle weiß nicht, woran es liegt, aber es kommt immer wieder vor, dass er im Dorfkrug keinen seiner alten Bekannten antrifft. Die scheinen immer seltener dort zu sein. Klara weiß auch nicht, was los ist.
Weil Zitterkalle so in Gedanken versunken ist, übersieht er fast sein zweites potenzielles Opfer des Tages. Ein junger Mann, der mit einem Fernglas am Feldrand hockt, hat den herannahenden Trecker nicht bemerkt (obwohl das fast unmöglich ist, bei dem Lärm, den das altersschwache Ding macht).
»Langsam reicht mir das«, grummelt Zitterkalle. »Ihr Anzug-träger habt hier nichts verloren.« Dann stutzt er. Der junge Mann trägt gar keinen Anzug. Er sieht eher ein bisschen exotisch aus mit seinen merkwürdigen Haaren und den unkonventionell gemusterten Klamotten.
»Tut mir leid«, ruft der Feldrandhocker. »Aber schön, dass ich Sie treffe. Ich würde mich gerne mal mit Ihnen über naturnahes, faunaverträgliches Mähverhalten unterhalten.«
»Schön, schön«, murrt Zitterkalle und öckelt mit seinem Trecker weiter. Er hat keine Zeit, die er verschwenden könnte. Manchmal ist das auch ein Stress im Sommer. Die ganzen Gräber, die er ausheben muss! Bei der Hitze sterben die Leute wie die Fliegen. Und dann noch die Extraschichten bei Salat-Montag. Zum ersten Mal seit zig Jahren hat der keine osteuropäischen Billiglohnkräfte auf seinen Feldern. Niemand weiß so genau warum. Nicht mal Wilma, die immerhin aufklären konnte, wieso Hermann Montag seit einiger Zeit immer aussieht, als habe er gerade in eine Zitrone gebissen: Sein Sohn ist von zuhause ausgezogen, um die Tochter von Puff-Kappel zu heiraten. Mit einem plötzlichen Anflug von Vergnügen tritt Zitterkalle das Gaspedal ganz durch. Er freut sich, wenn junge Menschen glücklich werden. Vielleicht auch deshalb, weil er selbst nicht mehr daran glaubt, dass das bei ihm noch mal was wird.
Hat er eigentlich noch Bier zuhause?
***
Drei der vier Freundinnen haben derweil ganz andere Sorgen. Ihre Männer benehmen sich immer seltsamer.
»Ich weiß auch nicht«, jammert Hanna. »Seit dem Seminar ist er nicht mehr der Alte. Das ist ja einerseits gut, aber andererseits ... na ja ...«
»Aber du wolltest doch, dass er sich ändert«, sagt Petra.
»Ja, aber nicht so«, antwortet Hanna. »Der wirkt ein bisschen wie ferngesteuert.«
Was sie genau damit meint, wird den anderen klar, als sie Hannas akkurat gepflegten Vorgarten verlassen und ins Haus eintreten.
Heinz steht im Flur. Er trägt eine geblümte Kittelschürze, ein Kopftuch und Gummihandschuhe. In der Hand hält er einen Feudel, vor ihm steht ein Eimer mit einer schaumigen Flüssigkeit.
Marlies, Petra und Tina gucken entgeistert erst ihn, dann Hanna an. Heinz putzt?
»Hallo, Schätzchen«, flötet er. »Wie nett, dass du Besuch mitgebracht hast! Aber ich habe noch gar nicht mit dir gerechnet, sonst hätte ich mich doch ein bisschen zurechtgemacht! Zieht bitte eure Schuhe aus und setzt euch schon mal ins Wohnzimmer, ich mach uns schnell ein paar Schnittchen!
Hanna ignoriert ihren Gatten und scheucht die Freundinnen ins Bügelzimmer.
»War das Heinz?«, fragt Tina irritiert. »Dein Mann, auch bekannt als der alte Kotzbrocken?«
»Ja, ich hab euch doch gesagt, dass der seit dem Seminar ein wenig merkwürdig ist«, sagt Hanna. Ihr ist das Thema unangenehm.
»Merkwürdig ist gut«, kichert Tina. »Der sieht aus wie meine Schwiegermutter ... und klingt auch so.«
»Also, ich finde, er
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