Frischluftkur: Roman (German Edition)
erinnert mich eher – bitte, nimm es mir nicht übel – an, äh ... an Hanna«, sagt Petra. »So, wie sie früher war.«
»Hmpf«, macht Hanna leicht beleidigt. Aber sie weiß genau, dass Petra Recht hat. Immer, wenn sie Heinz anguckt, denkt sie, sie schaut in einen alten Spiegel. Zuerst, direkt nach dem Seminar, fand sie Heinz perfekt. Er war so aufmerksam, so freundlich. Doch dann fing er an zu putzen. Genau wie Hanna. Es gab erste Territorialstreitigkeiten. Ihre Putzmittel verschwanden nach und nach, die von Fresh&Clean schien Heinz zu bevorzugen. Inzwischen ist ihr Mann ein richtiger Putzteufel. Er kommandiert sie nicht herum, nein, das nicht, und er benutzt auch keine Kraftausdrücke mehr. Aber sein Blick ist so seltsam. Er sieht sie an, als wäre sie ein Häufchen Vogelkacke auf dem frisch gedeckten Kaffeetisch. Er guckt verächtlich und doch gleichzeitig leer. Ein wenig, als wäre er eine Art Haushaltsroboter in Heinz-Verpackung. Manchmal ertappt sich Hanna bei dem Wunsch, sie hätte gerne den alten Heinz zurück. Den berechenbaren Macho. Aber das kann sie ja unmöglich vor ihren Freundinnen zugeben.
»Paul ist in letzter Zeit auch immer so ... wie soll ich sagen«, fängt Tina plötzlich an, »eigenartig.«
»Wie – eigenartig?«, fragt Petra. Sollen doch die anderen reden. Wird sie etwa auch zugeben müssen, dass Henning sie mit seiner neuen Aufmerksamkeit fast erdrückt? Ständig heißt es Schatzi hier und Schatzi da und was machst du gerade? Vorbei ist es mit ihrer Ruhe. Alles will Henning mit ihr zusammen machen, noch nicht mal mehr den Müll bringt er alleine raus. Immer öfter schleicht sich Petra aus dem Haus, um seinem Liebesgesäusel zu entkommen.
»Was ist mit Paul?«, fragt jetzt auch Hanna.
»Na ja«, windet sich Tina. »Er hat keine Kopfschmerzen mehr.«
»Das ist doch gut«, sagt Petra.
»Du verstehst mich nicht. Er hat nie Kopfschmerzen!« Petra, Marlies und Hanna sehen Tina an. Ihr Blick sagt eindeutig: Ja, und?
»Er will immer!«, empört sich Tina. »Wo er geht und steht. Ich kann noch nicht mal mehr in Ruhe Möhren schrabben. Ständig winkt er mit seinem Zaunpfahl!«
»Aber genau das wolltest du doch!«, entgegnen Petra und Hanna. Marlies grinst in sich hinein. Sie denkt an ihre neue Liebe, die Schreiberei, und dass sie froh ist, dass dabei kein Mann im Spiel ist. Man sieht ja, was das für Folgen haben kann.
»Ja, natürlich wollte ich das. Aber es ist doch das Schlimmste, was einem passieren kann: Dass die eigenen geheimen Wünsche wahr werden! Bei zu viel Realität bleibt die ganze Fantasie auf der Strecke.«
Die anderen müssen kichern.
»Außerdem hat er immer so ein kleines Fläschchen dabei, an dem schnüffelt er. Ich konnte noch nicht erkennen, was genau draufsteht. Sieht zwar aus wie Reinigungsmittel«, fügt Tina hinzu, »aber ich befürchte, das ist irgend so eine Sexdroge.«
»So etwas hat Henning auch«, wundert sich Petra. »Allerdings will der nur vierundzwanzig Stunden Dauerkuscheln.«
»Kleines Fläschchen? Heinz habe ich nicht mehr ohne große Putzmittelflaschen gesehen, seit er vom Seminar zurückgekommen ist«, empört sich Hanna.
»Also, wenn ihr mich fragt: Da ist etwas schiefgelaufen«, sagt Marlies. »Und wir müssen herausfinden, was es ist.«
Die anderen gucken sie verwirrt an. Früher hat Marlies nie etwas gesagt. Damit hatte man sich arrangiert. Aber neuerdings gibt ihre ehemals stumme Freundin Dinge von sich, die darauf rückschließen lassen, dass sie eine eigene Meinung hat.
Und dass sie noch dazu Dinge bemerkt, die sonst nie jemandem auffallen. Das ist fast noch unheimlicher als das merkwürdige Verhalten der Männer.
***
» Hallo, das ist der Anschluss von Marlies. Ich bin zurzeit nicht zuhause. Bitte hinterlasst eine Nachricht nach dem Piep, ich rufe garantiert zurück.«
Von wegen! Edith ist frustriert: Marlies reagiert nicht auf die Aufforderungen, in die Firmenzentrale zum The-new-me -Kurs zu kommen. Deshalb hat Edith sich schon einen Rüffel von Inez von Gravenberg eingehandelt. Dabei war Marlies eine so viel versprechende Kandidatin. Nach dem ersten Zwischenbericht an Frau von Gravenberg hat diese gesagt: »Diese Marlies, mit der habe ich etwas vor. Edith, es war eine blendende Idee von Ihnen, ihr dieses The-new-me- Seminar vorzuschlagen. Marlies nehmen wir in eine unserer Spezial-Fortbildungen rein. Und wenn sie sich da gut macht, haben Sie bald eine Assistentin.«
Das Lob hat Edith stolz gemacht. Sie hat die kleinen Schultern
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