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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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werden soll, will er sich keinesfalls aussprechen. „Letztlich möchte ich eine Situation schaffen, in der wir wieder auf reinerbige Zweinutzungshühner zurückgreifen und uns aus der Abhängigkeit der Agrarindustrie befreit haben.“
    Dies gehe aber nicht ohne eine kritische Öffentlichkeit: „Gegen die falsche Tierglück-Werbemaschinerie kommen wir nicht an. Das Einzige, das wir tun können, ist zu informieren und zu hoffen, dass sich die Information weiterverbreitet. Wir dürfen nichts verstecken, sondern müssen auch die Probleme transparent machen. Es gibt solche und solche Bio-Eier, die Herkunft ist ganz entscheidend.“
    Wir stimmten darin überein, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher gefordert seien, Eigeninitiative zu ergreifen, sich Aufklärung zu verschaffen und gegebenenfalls auch Mehrpreise für ökologisch und ethisch vertretbare Produkte aufzubringen.
    Der Ansatz von Carsten Bauck, Probleme der eigenen Produktion publik zu machen und offen zu thematisieren, anstatt sie zu verheimlichen, hebt sich vom Vorgehen der Lebensmittelkonzerne ab, denen es ums gute Image zu gehen scheint. Die Eier der Bio-Marke Ja!Natürlich von REWE in Österreich werden in der Werbung sogar als „Eier von überglücklichen Hühnern“ [10] angepriesen – trotz der Fließbandproduktion der Hybridküken, der maschinellen Vernichtung der Hähne am Tag der Geburt und der industriellen Schlachtung.
    Fast jedes Ei, das wir in Supermärkten und bei Discountern kaufen können, will inzwischen in „artgerechter Haltung“ gelegt worden sein, ob es nun ein Bio-Zeichen trägt oder nicht. In ihrer Bio-Werbung überschlagen sich die Lebensmittelkonzerne regelrecht mit ihren Inszenierungen der „Heile-Bauernwelt-Idylle“, von der in der Realität nicht die geringste Spur zu finden ist.
    Die Bio-Industrie und ihre „höchsten Anforderungen“– Besuch beim deutschen Marktführer für Bio-Eier
    In der Nähe von Bassum im deutschen Bundesland Niedersachsen besuchte ich einen Bio-Produktionsbetrieb, in dem ich abermals gute Nerven beweisen musste. Der Standort umfasste, so erfuhr ich, zwei Stallgebäude mit insgesamt 30.000 Tieren, aufgeteilt auf die üblichen Einheiten zu etwa 3.000 Bio-Hennen – alles EUkonform. Es handelte sich um den Legebetrieb von Heinrich Tiemann, dem Gründer und Kopf der Wiesengold Landei GmbH und Co. KG in Deutschland, der unter anderen Handelsnamen auch groß im Geschäft mit konventionellen Eiern vertreten ist. Bereits in Mecklenburg-Vorpommern war ich auf Produktionsstandorte gestoßen, die vertraglich für Wiesengold Bio-Eier erzeugen und oft Zigtausende von Legehennen umfassen: Stalleinheit an Stalleinheit, Halle an Halle. Nun hatte ich die Möglichkeit, einen Wiesengold-Betrieb von innen zu sehen – noch dazu jenen vom Chef.
    Heinrich Tiemann empfing mich im schicken Konferenzraum der Firma, wo er mir über den Erfolg seiner Unternehmungen berichtete: Die Wiesengold Landei GmbH und Co. KG ist Marktführer für Bio-Eier in Deutschland und beliefert nahezu alle Supermärkte und Discounter mit Ware, welche das Zertifikat des Bioverbandes Naturland trägt [11] . Im Jahr 2010 betrug der Umsatz des Unternehmens stolze 40 Millionen Euro [12] .
    „Nur durch die ‚Bio-Industrialisierung‘, also die Herstellung großer Mengen unter Einhaltung höchster Bio-Anforderungen“, so steht es im Nachhaltigkeitsbericht 2011 von Wiesengold, „werden Verbraucher auch in Zukunft ihr Frühstücks-Ei in Bio-Qualität zu jedem Zeitpunkt genießen können.“
    Diese „höchsten Anforderungen“ der industrialisierten Bio-Welt wollte ich sehen. Gemeinsam mit Herrn Tiemann machte ich mich auf, exemplarisch einige Standorte in der Region zu besichtigen. Dafür bewegten wir uns zunächst vom Tiemannschen Hauptlager weg. Unter anderem besichtigte ich einen der betriebseigenen Ställe für biologische Masthuhn-Elterntiere der Hybridlinie JA-757, die für das hauseigene Geflügelfleisch-Label Biofino gehalten werden und deren Bruteier den Nachschub an Masthuhnküken des Unternehmens sichern.
    Als wir in der schicken Firmen-Limousine durch die Agrarlandschaft Niedersachsens rollten, schoss mir plötzlich eine Frage ein, die ich umgehend stellte: „Wieso bewegen wir uns eigentlich von Ihrem Firmensitz weg und sehen uns nicht gleich die Ställe vor Ort an?“ Immerhin lebten dort 30.000 Tiere.

    Elterntierhaltung der Masthuhn-Hybride JA-757 auf dem Biohof Tiemann. Die Haltung der Tiere entspricht den EU-Richtlinien für

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