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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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ökologische Landwirtschaft. Elterntiere leben EU-konform generell ohne jeglichen Grünauslauf – in diesem Fall mit Zertifikat des Naturland-Bioverbandes [13] .

    Gut, ja, es gäbe dort tatsächlich zwei Hühnerhallen, wurde mir erwidert, und ja, „wir können uns“ – nach kurzem Überlegen – „diese Ställe noch ansehen. Aber nur , wenn Sie danach auch noch einen anderen Standort begutachten, an dem ich Ihnen zeigen möchte, wie ich mir die optimale Bio-Tierhaltung vorstelle“, erwiderte der Marktführer Tiemann.
    Ich stimmte zu.
    Wir fuhren zurück zum Firmensitz.
    Als wir dann die betreffenden Hallen bei Bassum betraten, blieb mir fast der Atem stehen. Ich war mit Tausenden von gestresst wirkenden Bio-Legehennen konfrontiert, die allesamt nackt und teilweise verwundet waren. Die Tiere hatten einander bepickt, waren in desolatem Zustand. Einige flatterten aufgewühlt und orientierungslos in der Halle umher. Andere saßen, offensichtlich krank, im Dämmerzustand am Boden und auf den Gitterrosten. Die Geräuschkulisse war ohrenbetäubend und stressgeladen. Diese Eindrücke machten selbst Heinrich Tiemann betroffen: „Auch wir stellen uns Hühnerhaltung so nicht vor“, versicherte er mir. Die Eier-Fließbänder waren zu dieser Zeit dennoch im täglichen Einsatz und die Bio-Eier dieser nackten Hennen wurden routinemäßig an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben.

    „Wiesengold“ stand drauf, nackte und kranke Hühner waren drin – mit Bioverband-Zertifikat. Der Marktführer für Bio-Eier in Deutschland spricht in seinem „Nachhaltigkeitsbericht 2011“ von der „Einhaltung höchster Bio-Anforderungen“.

    Nachdem mich die Ammoniakdämpfe und der stechende Geruch im Stall in die Flucht nach draußen gejagt hatten, machten wir uns auf den Weg, den angekündigten Vorzeigestall der Wiesengold Landei GmbH und Co. KG zu besichtigen, der – so wurde mir versichert – den Idealvorstellungen des Chefs entsprach. Auch dort waren die Tiere in den üblichen EU-konformen Einheiten zu je ungefähr 3.000 untergebracht und es handelte sich, ebenfalls wie üblich, um Hybridhennen Brown Classic des Lohmann-Konzerns, die als Küken auf Fließbändern zur Welt gekommen waren, während ihre Brüder maschinell getötet worden waren.
    Die Tiere waren an diesem Standort deutlich besser befiedert als die Hennen, die ich zuvor gesehen hatte. Sie waren jünger und hatten einen großen Teil ihrer Bio-Legekarriere noch vor sich. Doch auch sie waren gestresst, die Kommunikation der Hennen untereinander erlosch im unkoordinierten Klangteppich. Ich betrat die erste Stalleinheit, um umgehend in eine Wolke aus Staub eingehüllt zu werden: Die Herde hatte sich nach meinem Eintritt panikartig in Bewegung gesetzt und den gesamten Stall in graue Schleier gehüllt, die mir in der Nase brannten. Dabei hatte ich mir doch Mühe gegeben, mich langsam und vorsichtig zu bewegen.
    „So stellen wir uns die ideale Bio-Hennenhaltung vor“. Und: „Wir möchten unsere Junghennen in Zukunft gerne selbst großziehen, weil wir glauben, dass wir durch eigene Aufzucht das Problem des Federnkannibalismus in den Griff bekommen werden“, erklärte mir Wiesengold-Chef Tiemann und hatte vollkommen recht damit, dass eine der möglichen Ursachen für die gravierenden Störungen des Sozialverhaltens von Legehennen bereits in der Aufzucht der Junghennen zu suchen ist, die meist auf eigenen Aufzuchtbetrieben stattfindet, von denen die Betriebe bedient werden. Dort übrigens leben die Bio-Jungtiere 21 Wochen lang ohne jede Auslaufmöglichkeit. Weitere infrage kommende Störfaktoren, die zu Problemen wie Federnkannibalismus führen können, sind aber auch die intensiven Haltungsbedingungen in den Legebetrieben mit der fehlenden Hackordnung sowie die Ernährungsprobleme, die sich aus dem Einsatz von herkömmlichen Hybridzüchtungen unter nicht-konventionellen Futtermitteln ergeben.

    „So stellen wir uns die ideale Bio-Hennenhaltung vor“. Vorzeigestandort der Wiesengold Landei GmbH und Co. KG.

    Die Haltungsumstände im gezeigten Vorzeigestall von Wiesengold werden nicht nur vom dortigen Firmenchef als „ideal“ eingestuft, sondern waren auch nach den Standards der EU und sogar vom Bioverband Naturland zertifiziert, wo der Betrieb Mitglied ist [14] . Von den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher sind solche Betriebsformen vermutlich ebenso weit entfernt wie von den romantischen Bildern aus der Werbung und den Forderungen der

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