Friss oder stirb
Fahrrädern umherfahren müssen, für Brutfabriken mit rasenden Kükenfließbändern, auf denen die männlichen Tiere voll automatisiert „homogenisiert“ oder in einer Gasanlage getötet werden. Sie stehen für Arbeitsplätze in industrieller Akkordarbeit sowie für zentrale Hühnerschlachthöfe, in denen drei Tiere pro Sekunde auf dem Fließband das Leben verlieren – kurzum: für eine sehr erdölabhängige Form der Bio-Landwirtschaft und Bio-Lebensmittelverarbeitung durch die konventionelle Lebensmittelindustrie.
Dass sich Werner Lampert eben doch mit der industrialisierten Bio-Landwirtschaft identifiziert, zeigt seine Antwort auf eine andere Frage im selben Interview. „Was sagen Sie zu dem Argument, […] die großen, industrialisierten Bauern würden den wahren Bio-Grundsatz nicht vertreten?“ Werner Lamperts Antwort: „Dieses Argument ist aus einer Dummheit genährt […].“
Um die Verwirrung noch größer zu machen: Im November 2011 sagte er im Interview mit dem österreichischen „Wirtschaftsblatt“, die kleinstrukturierte Landwirtschaft könne „eine Qualität produzieren, nach der wir alle noch verrückt sein werden“. [41]
Im Jahr 2012 zeigte sich Lampert in mehreren Interviews von seiner diskontfreundlichsten Seite, indem er öffentlich aussagte: „Echtes Bio geht heute nur noch beim Diskonter“ [42] .
Einer der Gründe, weshalb der HOFERsche Bio-Pionier trotz aller Widersprüchlichkeit zwischen seinen Aussagen auf der einen und der industrialisierten Produktionsrealität bei Zurück Zum Ursprung auf der anderen Seite völlig recht hat, wenn er ein Ende der industriellen Methoden auf dem Agrar- und Lebensmittelsektor und die Hinwendung zur kleinstrukturierten Landwirtschaft fordert, trägt einen öffentlichkeitsbekannten Namen: „Erdölknappheit“.
Fossile Brennstoffe werden immer teurer, ihre globalen Reserven immer weniger. Unabhängig davon, dass kein Mensch die Tatsache bestreiten kann, dass unsere Erdölvorräte begrenzt sind und sich erschöpfen werden, ist die industrialisierte, erdölbasierte Landwirtschaft noch dazu ein wichtiger Faktor des Treibhauseffektes und des vom Menschen verursachten Anteils am Klimawandel. Aus einem globalen Verantwortungsgefühl muss sich also – sofern wir den nächsten Generationen neben lebenswerten Umweltbedingungen eine intakte und zukunftsfähige Landwirtschaft hinterlassen möchten – der gemeinsame Wille erheben, die Produktion unserer Lebensmittel deutlich weniger abhängig von fossilen Brennstoffen zu machen und daher Alternativen zu entwickeln, welche die Agrar- und Lebensmittelindustrie ablösen werden.
Die kleinstrukturierte bäuerliche Landwirtschaft war über Jahrtausende und noch weit bis ins 20. Jahrhundert die Grundlage der Gesellschaft. Menschliches Leben und Überleben werden seit der Erfindung des Ackerbaus vor etwa 10.000 bis 11.000 Jahren von ihr getragen. Die industrielle Landwirtschaft wird menschheitsgeschichtlich nichts weiter als ein kurzes, unbedeutendes Aufflackern marktwirtschaftlicher Kommerz- und Profitinteressen in einem gesellschaftlichen Lebens bereich sein, der irrtümlicherweise dem Machthunger der Lebensmittelkonzerne und den Gesetzen der freien Marktwirtschaft geopfert wurde. Diesen Irrtum gilt es nun auszubügeln. Vergessen wir nicht, dass noch heute – sieht man von den Wohlstandsinseln der Industrienationen ab – die Menschen auf der Erde mehrheitlich von Kleinbauern ernährt werden, wenn diese auch zusehends in Bedrängnis geraten.
„Für die Agrarkonzerne und die ihnen hörigen Regierungen gelten ausschließlich die zivilen und politischen Menschenrechte (Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit, Recht auf physische Integrität, auf Migration etc.). Für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte, so ihre Argumentation, sei allein der Markt zuständig. […] Jeder normative Eingriff ins Marktgeschehen sei strikt abzulehnen“ [43] , schreibt der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, in seinem Buch „Wir lassen sie verhungern“.
In Europa wäscht man sich ja am liebsten die Hände in Unschuld, ganz nach dem Motto: „Was bitte soll der Hunger in der Welt mit uns zu tun haben?“
„Nun: mehr als uns lieb sein dürfte“, muss die nüchterne Antwort lauten, denn die Zusammenhänge zwischen unserer industriellen Lebensmittelpraxis und der Armut in der Welt sind nicht zu leugnen. Ich nehme als Beispiel die Geflügelindustrie Europas.
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