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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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Ich habe bereits gezeigt, dass diese sogar im Bio-Bereich zu einer hämmernden Industrie mit rasender Fließbandproduktion geworden ist. Ähnlich wie bei Obst und Gemüse geht es den Lebensmittelkonzernen bei Hühner- und Putenfleisch nicht etwa darum, die Menschen zu ernähren, sondern um den größtmöglichen Profit. Die Rechnung ist ganz einfach: Der ohnedies bereits astronomisch hohe Fleischkonsum in Europa wird durch die Industrie noch angekurbelt, indem kräftig in der Werbetrommel gerührt wird – so mit „überglücklichen Hühnern“ und „artgerechter Tierhaltung“. „Bauernglück“ ist etwa der Name eines Labels für Fleisch, das in Deutschlands Supermärkten und Discountern verkauft wird.
    So weit, so gut. Es gelingt der Geflügelindustrie also sehr effektiv, durch Werbung für noch höhere Absätze zu sorgen, sodass in ihren zentralen Schlachthöfen noch mehr konventionell sowie biologisch gemästete Hühner und Puten von Hubstaplern aufs Fließband gekippt werden können.
    Im Jahr 2011 sah ich mich in einem Geflügelschlachthof in Oberösterreich um, wo allein am Tag meines Besuchs 140.000 Hühner geschlachtet wurden, von denen ein Teil Bio-Hühner waren. Die Firma liefert Geflügelfleisch an mehrere Supermärkte und Discounter in ganz Österreich und sogar in andere Länder, wie zum Beispiel nach Deutschland. Nun hat der europäische Wohlstandsmarkt aber die unangenehme Eigenheit, dass fast ausschließlich die Brustfilets der Hühner und Puten Absatz finden, neben ein paar plastikverschweißten Brathähnchen und Hühnerkeulen. Dies gilt sowohl für biologisches als auch für konventionelles Fleisch. Teile der toten Vögel, die in Europa niemand will, werden zu Dumpingpreisen in gigantischen Mengen nach Afrika, Asien und teilweise auch nach Südamerika exportiert. Diesen Umstand verkaufte mir der Mitarbeiter des Schlachthofes, der mich durch die riesige Anlage führte, als rühmliche Maßnahme, denn immerhin „werfen wir auch die minderwertigen Teile nicht weg. Die werden exportiert, zum Beispiel nach Afrika.“ [44] Das gilt auch für die Teile der Bio -Hühner, die hierzulande einfach niemand kauft. Auch in diesem Fall kommt die bewährte Faustregel zu tragen, dass das Gesagte für die gesamte europäische Geflügelindustrie gilt.
    Pikanterweise ist der massenhafte Export minderwertiger Teile aus der (Bio-)Fleischindustrie keine so positive Angelegenheit, wie es uns die Unternehmer glauben lassen möchten. Die Ware, die zu Billigpreisen in die Länder des Südens exportiert wird, ruiniert nämlich vor Ort die lokalen Märkte der ansässigen Geflügelbauern. Aus Afrika beispielsweise empfangen wir immer wieder Nachrichten über Landwirte, die Selbstmord begingen, weil sie keine wirtschaftliche Zukunft mehr für ihre Betriebe sahen. Das Dumping-Geflügelfleisch, das bei uns in Europa keiner will, wird – nicht selten matschig und vollgestopft mit Krankheitserregern – nach langen Transporten zu niedrigen Preisen auf den Marktplätzen benachteiligter Regionen verkauft.
    Dies ist ein klarer Hinweis auf die Zusammenhänge zwischen der Wirtschaftsweise unserer Lebensmittelindustrie und der Situation in anderen Ländern. Man denke aber auch daran, dass in so manchem konventionellen sowie biologischen Fleischprodukt Europas bereits importierte Futtermittel aus den Ländern des Südens stecken, was die Sache noch anstößiger macht.
    Während wir, je nach Produktgruppe, bis zu 50 Prozent der Ware aus marktwirtschaftlichen und kosmetischen Gründen einfach wegwerfen [45] , hungert weltweit eine Milliarde Menschen permanent, obwohl es genügend Agrarflächen gäbe, um Lebensmittel für zwölf Milliarden zu erzeugen [46] . Derzeit leben auf der Erde aber nur sieben Milliarden Menschen.
    Obwohl die landwirtschaftlichen Ressourcen des Planeten also ausreichen würden, um alle Menschen sogar mit Überschuss zu ernähren, leidet ein Siebtel der Weltbevölkerung ständig an Hungersnot. Diese Menschen leben überwiegend im globalen Süden. Etwa 40 Millionen Menschen sind es in Europa, die unter Nahrungsmittelarmut leiden. Das Recht auf Nahrung ist als Menschenrecht zu betrachten. Dennoch wird es großen Teilen der Bevölkerung nicht zuteil, obwohl genug für alle da sein könnte. Aufgrund der agrarischen Subventionspolitik und des wirtschaftlichen Verhaltens der Industrienationen verlieren im Süden jeden Tag Tausende von Bauern ihr Land und müssen in die städtischen Slums ziehen, wo sie keine

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