Friß Vogel - oder stirb
konnte, bei der Mrs. Starman Calvert Kundin gewesen war. Ich machte mich auf eine lange Wache gefaßt.
Nichts dergleichen. Nach kaum einer halben Stunde kam Mrs. Baffin in ihrem Thunderbird angerollt.
Die Frau sah hinreißend aus, sorgfältiger zurechtgemacht denn je. Sie stieg aus und ging zunächst einmal in den Rastraum. Dann kam sie wieder und fing einen Plausch mit dem Tankwart an, der ihr gerade Benzin einfüllte. Sie trat ganz dicht an ihn heran (ich kannte das von vorhin) und lächelte zu ihm auf. So ging das fast dreißig Minuten lang. Sie ließ alles mögliche machen, Batterie und Reifen überprüfen, öl nachfüllen. Die ganze Zeit wurde liebreizend geplaudert.
Als sie endlich weg war, ging ich hinüber.
»Ach, wieder Sie«, begrüßte mich der Tankwart.
»Tja...«
»Haben Sie die gestohlene Kundenkreditkarte gefunden?« erkundigte sich der Mann.
»Ja. Wer war die Frau eben im Thunderbird?«
»Wieso?«
»Sie interessiert mich.«
»Tolle Frau!« schwärmte der Tankwart. »Höflich, zuvorkommend, vornehm und...«
»Hat sie eine Kundenkreditkarte benutzt?«
»Nein. Sie hat bar bezahlt.«
»Kennen Sie die Frau?«
Er schüttelte den Kopf. »Noch nie gesehen.«
»Wollte sie was von Ihnen wissen?«
»Ach ja, wie all diese Frauen. Sie hat von dem Mord gelesen und ist nun ganz wild nach Neuigkeiten. Wollte wissen, ob ich Calvert jemals gesehen hätte, und berichtete mir, daß seine Wohnung ganz in der Nähe lag. Dann fragte sie nach Mrs. Calvert. Was ich von ihr hielte und so weiter. Sie wollte wissen, ob Mrs. Calvert hier tankte. Ich erklärte ihr, daß ich beim besten Willen nicht alle meine Kunden im Gedächtnis behalten kann. Aber ich glaubte, ich hätte Mrs. Calverts Namen ein paarmal auf einer Kundenkreditkarte gesehen. Bloß, die Leute, die solche Karten benutzen, sind für mich Namen, nicht mehr. Ich sagte der Frau, ich könnte mich nicht mehr erinnern, wie Mrs. Calvert aussah, aber wenn sie wiederkäme, würde ich sie bestimmt erkennen. Die Frau war wirklich sehr neugierig, aber auch sehr nett.«
»Na schön. Beantworten Sie mir bitte mal eine Frage: Kann es sein, daß diese Frau hier schon öfter getankt hat?«
Er sah mich überrascht an. »Aber nein, ganz und gar nicht. Die ist bestimmt noch nie hiergewesen.«
»Danke vielmals.« Ich machte mich auf den Weg.
Mrs. Calvert hatte also mindestens einmal Baffins Wagen benutzt. Sie war zweiunddreißig oder dreiunddreißig, blond und trug meist eine dunkle Brille, tagsüber wie nachts. Was ich vor kurzem Mrs. Baffin berichtet hatte, mußte wie Dynamit gewirkt haben. Mrs. Baffin war auf einer heißen Spur.
Schön und gut. Aber der Umstand, daß Mrs. Calvert und Nick Baffins Frau nicht ein und dieselbe Person waren, ließ meine Theorie über diesen Fall in viele tausend Scherben zerplatzen.
Nach meiner Rechnung hatte ich zwischen vierundzwanzig und sechsunddreißig Stunden Zeit, ehe mich jemand am Kragen bekommen würde. Immer vorausgesetzt, daß ich Glück hatte und schön in der Mitte der Straße blieb.
Ich suchte mir ein Telefon und rief Baffin an.
Der war schrecklich aufgeregt.
»Lam, ich muß Sie sofort sprechen. Unbedingt! Ich hab’ einen Job für Sie.«
»Was für einen Job?«
»Einen fetten Brocken diesmal.«
»Vergeben Sie den Auftrag oder...«
»Nein, nein, diesmal bin ich es. Kommen Sie so schnell wie möglich hierher in mein Büro. Sofern Sie sich frei bewegen können. Geht das?«
»Ich bin frei wie eine Schwalbe.«
»Also, wie schnell können Sie hier sein?«
»In einer Viertelstunde.«
»Das dauert zu lange, versuchen Sie es in zehn Minuten«, rief er. »Geld spielt keine Rolle. Die Sache ist wichtig, furchtbar wichtig.«
Das konnte gut eine Falle sein. Aber in meiner Lage mußte ich den Ball in Bewegung halten. Ich riskierte es.
Baffin saß in seinem piekfeinen Privatbüro im zweiten Stock des Grill-Restaurants. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und stierte verzweifelt vor sich hin.
»Lam«, eröffnete er die Unterredung. »Lam, ich kann Sie nicht riechen.«
»Ein schöner Anfang.«
»Aber Sie haben Ihre Prinzipien. Sie haben gegen Ihre eigenen Interessen gehandelt, um gegenüber einer Person die Loyalität zu wahren, die nur im technischen Sinne Ihre Klientin war. Man sagt, Sie seien gerissen. Ich muß es glauben. Daß Sie loyal sind, weiß ich. Ich brauche Ihre Loyalität.«
»Wieviel davon?«
»Soviel Sie haben.«
»Und wozu?«
Baffin befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze. »Man will mir
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