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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Zimmers nahm Tage in Anspruch, und der Petroleumgestank verlor sich nie ganz, auch nicht, nachdem das Zimmer neu tapeziert worden war.
    Aber damit ist die Geschichte von dieser Abiturfeier noch nicht ganz zu Ende. Sie hatte noch ein unangenehmes Nachspiel. Denn auch vor der Entlassungsfeier der Abiturienten, einem Festgottesdienst in der Aula des Gymnasiums, an den sich die Rede des Direktors zur Entlassung der Schüler in das freie akademische Leben anschloß, gab es einen Kommers, den die Schüler ihren Lehrern ausrichteten. Und dabei wurde nicht weniger getrunken als auf den Kommersen zur Feier des soeben bestandenen Examens. Kurz vor Anbruch des Tages zogen die Herren Lehrer und ihre .Abiturienten, vom Herrn Direktor persönlich angeführt, im Gänsemarsch durch die Stadt, um zum Abschluß der Feier im Schulhof des Gymnasiums den vom Direktor vor langen Jahren eingeführten und zur Tradition gewordenen >Sockentanz< zu zelebrieren. Man zog die Schuhe aus, warf sie in der Mitte des Hofes auf einen Haufen zusammen, faßte sich an den Händen, hüpfte im Ringelreihen um die Schuhe herum und sang dabei: Was sollen uns Geigen und Flöhöhöten? Wir wollen noch einen verlöhöhöten! Und das viele Male hintereinander. Und da es zu mühselig war oder in der Dunkelheit sogar unmöglich gewesen wäre, die Schuhe auseinander zu klauben und im Haufen das eigene Paar zu finden, ließ man sie liegen und wankte auf Socken heimwärts. Die Schuhe kamen nicht abhanden, denn der Pedell stand, dieses Abschlusses der Feier gewärtig, bereits unter dem Portal und sammelte die Schuhe ein, die man bei ihm anderen Tages gegen ein Trinkgeld wieder einlösen konnte.
    Mutter gelang es mit vieler Mühe, Ernst am Morgen zu wecken, denn die Abschlußfeier und Entlassung sollte pünktlich wie an jedem anderen Schultag um acht Uhr beginnen. Sein Zustand war nicht der allerbeste, und auch der starke Kaffee, den Mutter ihm einflößte, vermochte daran nicht viel zu ändern. Aber es beruhigte sie, daß er dann doch aufrecht und ohne allzu starken Zickzackkurs dem Gymnasium entgegensteuerte. Er hatte seit seinen Sekundanerjahren bei den täglichen Morgenandachten die Lieder mit seinem Harmoniumspiel eingeleitet, begleitet und ausklingen lassen. Also reihte er sich nicht zu seinen Mitabiturienten, die vor dem Pult Aufstellung genommen hatten, von dem aus der Direktor seine Schlußansprache halten wollte, sondern ging zu dem auf einem Podest stehenden Harmonium, warf seinen Nachfolger von der Orgelbank und intonierte, während der Direktor das Gesangbuch aufschlug und zur ersten Strophe des Liedes >Nun danket alle Gott< aufrief, vor versammelter Schulgemeinde den Schlager der Saison: >Püppchen, du bist mein Augenstern... <— Man mußte ihn mit Gewalt von der Orgelbank und aus der Aula entfernen, die Abschlußfeier fand ohne ihn statt, der Direktor entrüstete sich über seine sittliche Unreife, wollte ihm das Abgangszeugnis verweigern und ihn von der Schule relegieren. Vater mußte grobes Geschütz auffahren, er drohte, die Sockentänze vor das Provinzialschulkollegium zu bringen und erreichte es schließlich, daß Ernst sein Abgangszeugnis ohne Änderung in der Betragen-Note ausgehändigt bekam.
    Daß er viele Jahre später bei meinem eigenen Abitur auch intervenieren mußte, war allerdings keine Folge von alkoholisch beschwingten Sockentänzen, sondern hatte ganz andere Gründe. Paul Wegener, der dämonische Darsteller des Golem und des Studenten von Prag, beging wenige Wochen vor meinem Abitur seinen fünfzigsten Geburtstag. Dreißig Jahre zuvor hatte er an der gleichen Penne sein Abitur gemacht und war zur Feier dieses dreißigjährigen Jubiläums zu einer besonderen Ehrung eingeladen worden. Man hatte nämlich seinen Abiturientenaufsatz in den verstaubten Archiven des Gymnasiums auf dem Speicher entdeckt. Schüler der Untertertia, die im Zeichenunterricht gerade mit der Rohrfeder umzugehen lernten, hatten seinen Aufsatz in schöner Schrift auf festem Bütten zu Papier gebracht und hübsch eingebunden, und dieser Aufsatz wurde Paul Wegener vom Sprecher der Schule, meinem Konabiturienten Arthur Krewald, mit einer schwungvollen Ansprache überreicht. Paul Wegener bedankte sich herzlich. Hinterher aber trat unser Direktor aufs Katheder und setzte zu einer denkwürdigen Ansprache an: Der Deutschlehrer und das Kollegium des Jahres 1894 hätten die Qualität seines Aufsatzes über das Thema >Hat Schiller mit seiner Behauptung recht, wenn er sagt, daß

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