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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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wo einer seiner Vettern die Fischereirechte an mehreren Seen gepachtet hatte und eine Maränenräucherei betrieb. Seine Maränen gingen sogar an den kaiserlichen Hof nach Berlin, und er durfte sich Hoflieferant nennen, worauf er sehr stolz war. Wenn Ernst von den Ferien heimkam, brachte er stets eine fett-triefende Kiste mit Nikolaiker Maränen mit, auf die Vater schon mit Sehnsucht wartete.
    Einmal nahmen mich die Schwestern nach Alt-Ukta mit, aber ich hielt es dort keine acht Tage aus. Die älteren Bauernjungen verprügelten mich, weil ich ihnen zu städtisch war, und mit den gleichaltrigen gab es kein Spiel und keine Unterhaltung, weil sie unsere Spiele nicht kannten und außerdem nur masurisch sprachen, wovon ich nur ein paar Brocken verstand. Und schließlich behandelte mich diese Tante Marie miserabel. Sie konnte es meinem Vater nicht verzeihen, daß er, wenn er schon noch einmal heiraten mußte, nicht sie genommen hatte. Meiner Mutter sagte sie einmal wörtlich, sie könne es nicht begreifen, daß Vater >einen nackten Hintern> geheiratet habe, worunter sie die Vermögenslosigkeit von Mutter verstand; sie hätte Vater doch Häuser, Grundbesitz und ein beträchtliches Barvermögen in die Ehe mitgebracht. Daß Mutter seitdem nervöse Zustände bekam, wenn Tante Marie ihren Besuch ankündigte, ist verständlich. —
    Daheim hatte ich, was ich in Alt-Ukta so sehr vermißte, Raum, Freiheit und Spielgefährten in jeder Menge. Das Straußsche Haus war mit dem Nachbarhaus durch einen Torbogen aus Mauerwerk verbunden, der auf einen Hof von der Größe eines Marktplatzes führte. Im Nachbarhaus befand sich nämlich die Gastwirtschaft von Herrn Paul Bouvain, einem Hugenottenabkömmling, deren es in Lyck viele gab. Unser Schuhmacher hieß Dubois, und der Fleischer Toussaint. Sie hielten auf Tradition, sprachen ihre Namen französisch aus und manche heirateten, wenn es irgendwie zu machen war, zu Königsberg in der Französischen Kirche. Dieser Bouvain war ein Original; wenn er voll war, und das war er häufig, beschimpfte er seine Gäste, prügelte auf sie ein und schmiß sie hinaus. Ein Unteroffizier der Ulanen hatte bei solch einer Gelegenheit blankgezogen und ihm mit seiner Plempe die Nase abgehauen. Seitdem trug er die Nasenlöcher in Augenhöhe und sah furchterregend aus. Den Ulanen wurde das Lokal verboten, aber die anderen Gäste gewöhnten sich an seinen Anblick, nahmen ihm seine Eskapaden nicht übel und verkehrten weiter bei ihm, vor allem die Bauern aus der Umgebung, die an Markttagen in die Stadt strömten und ihre Pferde und Fuhrwerke bei ihm unterstellten. Im Hof befanden sich große Stallungen, die sich herrlich zum Versteckspielen eigneten.
    Im zweiten Stockwerk des Bouvainschen Hauses wohnten meine liebsten Freunde, Hannchen und Fritzchen Grigat; Johanna zwei Tage jünger als ich, Fritz um ein Jahr älter. Ihre Mutter war eine junge, schöne Frau, die das Haar wie die Kronprinzessin Cecilie von den Schläfen und vom Nacken aufgekämmt in einem kunstvollen Knoten trug. Kinder aus der Nachbarschaft fanden sich in Scharen ein, und wir spielten auf dem Hof und in den Bouvainschen Stallungen Räuber und Gendarm, Indianer und Trapper, Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann, Verstecken und Dridri-Greifchen mit Popo-Anschlag, wobei der Anschlag bei diesem kombinierten Spiel aus Greifen und Verstecken durchaus nicht auf den Popo, sondern auf Rücken oder Schulter gegeben wurde. Aber ich spielte mit Hannchen und ihren Puppen auch >Vater-Mutter-Kind< und in den dunklen Winkeln der Ställe und auf ihren Heuböden >Dokterchen<, und mich müssen die kleinen Unterschiede, die es zwischen Buben und Mädchen gibt, ganz ungeheuer interessiert haben. Denn eines Tages blieb Hannchen den Spielen fern, und ihre Mutter zog mich, als ich sie arglos und ganz ohne schlechtes Gewissen abholen wollte, zu sich in die Küche und sagte sehr ernst: >Hör einmal, Jungchen, wenn du noch einmal dem Hannchen an ihrem Dingchen spielst, dann schneide ich dir die Finger ab. Wie der Schneider mit der Scher! Hannchens Dingchen ist nämlich ganz rot und entzünden!< — Sie muß eine für jene Tage ungewöhnlich vernünftige Frau gewesen sein, denn in Dingen des Dingchens verstand man damals keinen Spaß. Sie ließ uns sogar, was andere Mütter gewiß nicht getan hätten, weiter miteinander spielen, nur schaute sie öfters aus dem Küchenfenster in den Hof hinunter und rief ihr Hannchen ins Freie, wenn wir uns allzulange in den Ställen und

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