Fröhliche Zeiten
reihte sich an den andern. Im erbarmungslosen Rhythmus von Max Gregers Bigband wogten die Paare, reagierten auf alle Nuancen meines Gebrülls von entfesselt bis zärtlich. Sie gehorchten der Diktatur des Eros und honorierten meine Schwerstarbeit, indem sie beschleunigt zueinander fanden.
War das Macht über Menschen?
Ähnlich muß sich der Rattenfänger von Hameln gefühlt haben mit seinem umweltschädlichen Gefolge, ähnlich müssen sich die Eliteproleten der Herrenrasse vorgekommen sein, wenn das Volks skandierend Sieg heil brüllte. Mit Rhythmus wird dieses Machtgefühl zum Rausch. Zwischendurch nahm ich Freunde wahr, Bekannte, Mitglieder des Ensembles, dann schwand mein Bewußtsein wieder dahin. Wie die Nächte endeten, wie ich nach Hause kam, bleibt im Dunkel. Nicht nur bei mir. Die Traumkulisse hat alle entrückt, und keiner weiß genau wieso. Wozu Glückseligkeit analysieren?
Als Beitrag des Ensembles sollte ein Mitternachtskabarett mit Friedrich Domin, Adolf Gondrell, Axel von Ambesser, der auch die Texte schrieb, stattfinden. Doch die Prominenz des Hauses fürchtete richtigerweise die Stimmung zu stören, worauf jüngere Kollegen einsprangen, als Kabarett der Nichtprominenten, was bei ihren Namen reichlich kokett klang: Elisabeth Goebel, Hans Reiser, Karl Lieffen und der König der Regieassistenten, Franz Josef Wild.
Wenn es tatsächlich stattgefunden hat, dann zu spät. Auch wußte keiner so recht, wo. Im Keller? Man war in Nächstenliebe tätig und hatte überhaupt genug Ablenkung.
Auf dem Rang zum Beispiel, wo sich ein pompöses Paar huldvoll winkend im eigenen Auftritt sonnte. Golddurchwirkt, mit wallendem Cape, schweren Ringen auf weißen Handschuhen, lächelte Münchens Salonlöwe Nummer eins, der spätere königliche Tai-Konsul .Herbert G. Styler als Renaissancefürst auf das Faschingsvolk herab. An seiner Seite, in Prunkrobe mit reichlich Geschmeide, das Gesicht weiß gepudert, Idi, die Baronin, seine wesentlich ältere, ständige Begleiterin. Zwei Luxusgeschöpfe wie von der Riviera vor dem Ersten Weltkrieg, noble Spielernaturen, die sich nach Verlust ihres Vermögens beim Roulette in ihrer Hotelsuite erschießen. Mit silbernem, elfenbeinbeschlagenem Damenrevolver.
Getanzt haben die Nobilitäten auf der Traumkulisse nicht. Selbst ein Prinzenwalzer als Soloeinlage wäre ihnen anbiederisch erschienen. Sie schritten auch nicht durch die Menge; die bombastischen Kostüme gestatteten keine Tuchfühlung. Sie nahmen lediglich Blicke entgegen, dazu etwas Champagner. Ihr Auftritt als Standesherrschaft war bestes Kabarett.
Das meinte auch der Hausherr, Hans Schweikart, in seiner clochardhaften Kostümierung nicht auf Anhieb als Intendant zu erkennen. Ganz im Gegensatz zur Ersten Dame des Ensembles, Maria Nicklisch. Sie tanzte gewissermaßen daheim, auf dem Schauplatz ungezählter Erfolge, mit ihrem Kollegen Hans Reiser, heute Patron des Ristorante Roma, auf der anderen Seite der Maximilianstraße.
Von dieser anderen Seite, aus dem Hotel Vier Jahreszeiten, war an einem der drei Abende ein prominentes Paar herübergekommen: Hildegard Knef in Begleitung von Hollywood-Regisseur Anatole Litvak, der osteuropäische Amerikaner, des Faschings unkundig, im Smoking.
Hans Reiser, bereits in gehobener Stimmung, sah das Paar und zeigte sich als Münchner sofort um die Reinhaltung des Festes besorgt. Mit Maria Nicklisch breitseits schwebend, belehrte er den Smokingmann in kollegialem, aber bestimmtem Ton: »Des G’wand is nix! Jetzt gehst schön heim und ziehst dir was anderes an. Dann kannst wiederkommen .«
Um ganz sicher zu gehen, daß seinem Rat auch entsprochen werde, zog er ihm die Smokingschleife auf, nahm vom nächsten Tisch eine Sektflasche und netzte das gefältelte Hemd. Lächelnd nahm’s der Regisseur als Regieanweisung und befolgte sie prompt.
Dank lichter Momente erinnere ich mich, Paul Dahlke auf der Tanzfläche gesehen zu haben, Heidemarie Hatheyer, Wilfried Seyfert mit Tatjana Iwanow, Direktor Harry Buckwitz als Feuerwehrmann, Maria Koppenhöfer und, umgeben von einem Rudel junger Schauspieler, Fita Benkhoff in enger Corsage mit Netzstrümpfen. Wie sich herausstellte, verdankte sie den Zulauf weniger ihrem Kostüm als ihrer Kollegialität. Die jungen Mimen waren von der wilden Tanzerei durstig und hungrig geworden. Unbesorgt hatten sie drauflos bestellt, weit über die Kapazität ihrer Gagen hinaus, und rätselten nun, wie sie die Zeche bezahlten sollten. Einer fand die Lösung.
»Fita, du
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