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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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mußt einen reichen Scheich anschleppen. Hier an unsern Tisch.«
    Die Benkhoff zeigte sich der gewünschten Rolle gewachsen. Sie angelte ein versprengtes Nordlicht und ertrotzte im Sitzstreik auf seinem Schoß — gerade so, daß er noch in die Tasche nach seinem Portemonnaie greifen konnte — den Automateneffekt: Oben flößte sie ihm so lange Champagner ein, bis unten das nötige Geld für alle herauskam.
    Sofort gab Fita Benkhoff ihre Besetzerrolle auf, dankte ihm mit einem Kuß und tanzte davon.
    Im Verlauf des wogenden Festes flüchtete einer der jungen Mimen vorübergehend in den Keller. Verschnaufen wollte er, etwas kühle Luft schnappen, dem Gedränge entrinnen, vielleicht auch einer allzu anhänglichen Tanzpartnerin. Auf der Unterbühne, wo die Versenkungen münden, in die Verdammte zur Hölle fahren, aus denen Tischlein-deck-dich auftauchen, schien ein Erdbeben ausgebrochen. Das ganze Theater zitterte. Die Bohlen über ihm ächzten, sie federten in dumpfem Gepolter, als stürmten Kavallerie und Panzer gemeinsam das Haus. Unter der mittleren Versenkung, die jeden Augenblick durchzubrechen drohte, stand mit verzweifeltem Ausdruck Hanns Zimmermann, der technische Direktor.
    Dem Schauspieler stockte das Herz. »Um Gotteswillen !« stammelte er, »wenn die Bühne durchbricht...«
    »Deswegen steh ich ja da. Damit ich gleich tot bin .« Obwohl für das Fest nicht zuständig, fühlte sich der Vollbluttheatermann für seine Bühne verantwortlich. Sie hielt. Auch im nächsten Jahr. Dann stoppte Intendant Hans Schweikart den Fasching in den Kammerspielen. Das Einmalige durfte nicht zur Serie verkommen — sagte ihm seine Theaternase. Gewiß nicht, weil er auf der Traumkulisse seine Frau kennengelernt hatte, sondern aus künstlerischem Gespür. Der Seismograph Kunst ist jeder Wettervorhersage, jeder Meinungsumfrage, jeder politischen Hochrechnung weit überlegen. Eine andere Zeit war angebrochen, und beim Theater gilt Tradition bekanntlich als Schlamperei.

    Einmalig schön seien die Frauen auf der Traumkulisse gewesen, ist immer wieder zu hören. Nicht durch Attribute der Jugend, wie frisch und sexy, nein, wahrhaft schön, im edlen, reifen, noblen Sinn des Wortes. Da fällt der Name einer Filmschauspielerin, die sich längst zurückgezogen hatte — Brigitte Helm. Oder die jüngere Irene von Meyendorff.
    Viele gaben sich geheimnisvoll. Sie trugen Masken, die sie, wie früher üblich, erst nach Mitternacht lüfteten. Irgendwo im Hause entdeckte der Direktor bei seinem Rundgang eine gertenschlanke, wunderschön gewachsene Frau und wurde, wie er sagt, sofort nervös. Vom Hals bis zu den Knöcheln zeichnete ein schwarzes Seidentrikot ihre Konturen nach. Das Gesicht war hinter einer glitzernden Maske versteckt und von einer Perücke umrahmt.
    Gebannt folgte er dieser Augenweide, bis sie unvermittelt stehen blieb und ihn warnte:
    »Lassen Sie sich nicht mit mir ein, Buckwitz! Sie werden tief enttäuscht sein .«
    Sie kannte ihn, besser offenbar. Sonst hätte sie Herr Buckwitz gesagt. In seinen Schläfen tickte der Eros. »Von Ihnen kann ich ein Leben lang nicht enttäuscht werden«, sprudelten seine Lippen. »Bei Ihrer Figur und Ihrem Charme. Ich werde Sie verfolgen. Um ein Uhr müssen Sie die Maske lüften .«
    »Um ein Uhr werde ich mich verstecken«, antwortete sie und es gelang ihr, im Gedränge zu verschwinden.
    Doch der Pfadfinder im Manne, auf dem Pfad der Wonne absolut schwindelfrei, obsiegte. Zur entscheidenden Stunde fand er sie in passender Dekoration — einem schummrigen Kellerraum. Sie mußte die Maske abnehmen und zierte sich nicht. Millimeterweise wich das Geglitzer dem Antlitz.
    »Jetzt sehen Sie, wie alt ich bin .«
    Er sah es. Und da er kein dümmliches Kompliment machen wollte, wurde ein um so größeres daraus.
    »Sie können für mich gar nicht alt genug sein .«
    Es war die damals schon nicht mehr junge Lil Dagover.

    Einmalig stilvoll, allen unvergeßlich und weniger selbstbewußten Männern unheimlich tummelte sich, von mehreren Dompteuren betreut, eine einzige Großkatze im Freigehege. Ein Fabelwesen von atemberaubendem Wuchs. Der Zeichnung ihres hautengen Fells nach zwischen Leopard und Gepard, bewegte sie sich mit lasziver Geschmeidigkeit über die Tanzfläche. Den rassigen Kopf zurückgelegt, lauerte hinter den schweren Lidern der mandelförmig ummalten Augen der nicht zu enträtselnde Blick einer ägyptischen Sphinx. Auch der Mund, ein Monument an Ausdruckskraft, lauerte.

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