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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Triebe,
    das ist es, was bei dir die Wahrheit heißt.
    In Traumkulissen blüht die wahre Liebe und frei von Fesseln schwinget sich der Geist.

    Sieben in ihrer Vitalität und Instinktsicherheit wahrhaft heidnische Nächte gab es in den Kammerspielen. Gegen Morgen loderte das musikalische Fegefeuer, die himmlische Hölle verschlang alle und alles. Engagierte vergaßen ihr Engagement, Skeptiker ihre Skepsis. Höchststimmung wäre ein zu blasses Wort, um unsere Besessenheit zu beschreiben, unser Traum war Wirklichkeit. Kollektives Daseinsglück von dieser Intensität sollten wir nicht mehr erleben.

Gespräche unter Freunden

    1945 sprach alles dagegen, einander zu sehen. Entfernungen hatten sich vervielfacht, weil die gewohnten Transportmittel fehlten. Man ging, vor allem zu Fuß, und das entschieden zu weit. Viel weiter, als Schuhwerk und Kondition es an sich gestatteten. Der Alltag erforderte Körperkräfte, die man nie besessen hatte. Mit einem Rest davon machte man sich auf die reichlich gestopften Socken oder auf die geflickten Fahrradschläuche, zu den Freunden, um mit ihnen zu reden. Täglich traf man sich, freute sich aneinander, hatte Zeit füreinander und erfuhr, daß es allen gleich ging.
    Gespräche fielen unter Seelsorge.
    Im Zusammenhalt materialisierten sich bescheidene Wünsche. Die Zeiten besserten sich in Zeitlupe. Optimismus, Gespür für Marktlücken und versteckte Fähigkeiten trugen Früchte. Beim einen mehr, beim andern weniger. Das unterschied. Wichtigere Rädchen im allgemeinen Getriebe wurden ausgezeichnet: sie bekamen Telefon. Auch Unwichtige — mit Beziehungen.
    Nun konnte man den oft beschwerlichen Weg zueinander umgehen. Doch Hören und Sehen sind zweierlei. Man brauchte die Nähe, den persönlichen Kontakt und traf sich weiterhin. Wenigstens einmal die Woche. Gespräche fielen unter Meinungsaustausch.
    Obwohl Transportmittel wieder zur Verfügung standen, kosteten Existenz- und Nestbau immer mehr Zeit. Die Freundschaften sollten darunter nicht leiden. Zwischendurch schaute man mal bei einem vorbei. Nicht immer im rechten Augenblick. Wer einfach kam, mußte damit rechnen, ungelegen zu kommen. Da war das Telefon ein Segen. Man stimmte sich ab, denn sehen wollte man sich auf jeden Fall.
    Wenigstens einmal im Monat.
    Man freute sich, endlich wieder zusammenzusitzen und beschloß regelmäßige Treffen zu unverwechselbaren Terminen wie jeden letzten Mittwoch im Monat zum Beispiel. Das konnte man sich merken, seine Planung darauf einstellen, Pflichten hatte jeder genug. Dafür ging’s auch aufwärts.
    Sicherheitshalber vergewisserte man sich kurz davor noch einmal. Die Erfolgsschwächeren riefen die Erfolgreicheren an: Ob’s dabei bleibe. Mancher konnte ausgerechnet an dem Tag nicht oder war verreist oder hatte ihn vergessen. Man versprach einander wieder anzurufen, einen neuen Termin auszumachen. Doch keiner konnte, wenn die andern konnten.
    Entscheidendes hatte sich in der Zwischenzeit getan, etwas, von dem man bisher nur geträumt hatte, die große Chance gewissermaßen. Die ging natürlich vor. Für Privates war jetzt kein Platz. Gerade die Freunde mußten das verstehen und wurden nach Schilderung deprimierend glückhafter Einzelheiten aufgefordert, kräftig die Daumen zu drücken.
    Man rief nicht mehr an, machte nichts mehr aus, traf sich aber trotzdem. Rein zufällig. Auf großen Veranstaltungen oder sogenannten wichtigen Einladungen. Die Massencocktails waren in Mode. Man freute sich ehrlich, obwohl keiner recht froh wirkte. Die Pflichten, die ständige Überlastung, die Familie sehe man kaum noch. Selbst auf der Nordafrikareise sei man nicht zur Ruhe gekommen — Darmgrippe. Und jetzt die neue Sache! Wenn die klappte, würde man in Zukunft fliegen, wie man früher Trambahn gefahren sei. Davor aber müsse man sich treffen, unbedingt. Alte Freundschaften dürften nicht in die Brüche gehen. Man lebe schließlich nur einmal und das nicht, um Tag und Nacht zu arbeiten. Auch werde man nicht jünger.
    Gespräche fielen unter Selbstmitleid.
    Das Treffen war fest abgemacht. Jeder glaubte, der andere verständige die andern. Einer rief einen an. Er kam aber nur bis zur Sekretärin durch und die kannte ihn nicht. Um was es denn gehe? Der Chef sei verreist. Dann mußte der Anrufer selbst wegfahren. Danach würde er’s wieder probieren. Die nötige Zeit dazu fand er jedoch nicht. Immer kam etwas dazwischen. Und die andern riefen ja auch nicht an.
    Zufällig begegneten sich zwei auf der Straße.

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