Fröhliche Zeiten
Der eine rechts, der andere links von der schießscheibengroßen Kugel, sangen wir unser Quodlibet, ein Potpourri aus bekannten Melodien mit veränderten Texten. Tanzend und das Versteckspiel um den Leuchtballon, den wir zum Vollmond ernannten, voll auskostend, genossen wir die komischen Effekte, die das Hindernis verursachte, und die Zuschauer freuten sich an unserem Stegreifgeblödel:
Nicht öffentlich beim Machen leiden!
Weil sonst die Leut’ das Lachen meiden.
Eins war mir klar: Für immer würde ich bei diesem Metier nicht bleiben. Doch es eilte mir nicht, herauszukommen. Die Freude am Unernst überwog. Mein unseriöser Blickwinkel bot Abstand. Viele Freunde hatten keinen Spaß mehr bei dem, was sie taten. Und das merkte man. Als gelte es, Ernst nachzuholen, jagten sie hinter jenem sogenannten Erfolg her, den man abends nachzählen kann. Beinah um jeden Preis. Ich machte meine Verse darauf, und die Leute applaudierten. Die Verstricktesten am meisten. Zu beobachten erschien mir wichtiger, als selbst in den Sog zu geraten. Es gab wieder alles. Auch eine Million Arbeitslose.
Ein Studium der Psychologie an der Münchner Universität sollte meinen Blickwinkel festigen. Die Fakultät setzte einen Beschnupperungstermin an, dem Vor sprechen beim Theater vergleichbar, wenngleich man nicht den Hamlet oder den Malvolio aus Was ihr wollt in meiner Interpretation erleben wollte, sondern das private Ich. Insofern mehr ein Vorsprechen beim Kabarett. Schreibtischgeschützt saß mir ein Professor gegenüber, ein zweiter links, gleichsam in der Proszeniumsloge. Es begann als Terzett. Fragte mich der eine etwas, worauf ich antworten sollte, redete der andere so dazwischen, daß ich nicht dazu kam. Vermutlich wollten sie mit dieser Taktik Unbeirrbarkeit beziehungsweise Wendigkeit feststellen.
Geübt, mit Publikum umzugehen, Zwischenrufe sofort zu kontern, war ich für diese Prüfung wohl doch zu verdorben. Ich witterte die Parodierbarkeit und so ging nicht der Ernst, sondern der Spaß mit mir durch. Es reizte mich, alles zu bemerken und darauf einzugehen. Keinen Blick, keine Neigung des Kopfes, keinen Wechsel der belasteten Sitzbacke ließ ich unerwähnt. Statt mich vorzustellen, gab ich eine Vorstellung. Es gelang mir einfach nicht, meine schlummernde Ernsthaftigkeit zu wecken.
Das konnte nicht gut gehen.
Wissend nickten die Professoren einander zu, dann lächelnd mir:
»Sie bleiben doch besser bei der Bühne !«
»Einverstanden«, sagte ich. Gegen mein besseres Wissen.
Den Satz: Psychologie ist die Krankheit, für deren Therapie sie sich hält — ließ ich weg. Als Dialogstudie war das Mißverständnis lehrreich. Ich schied bereichert und mit ungebrochenem Interesse für ihr Fach.
Psychologen, bei denen ich mich unorthodox weiterbildete, gelang es, meinen schlummernden Ernst zu wecken.
Ich begriff, wie leicht Parodieren zu oberflächlichen Pointen verführt. Man muß es sich schwer machen mit dem Leichten. Damit die Figuren stimmen. Bis ins Mark.
Mit zunehmend feineren Antennen trat ich abends vor das Publikum und übte in der Praxis, was ich begriffen hatte. Gewiß, nicht in erstklassigen Häusern. Aber das spielte dabei keine Rolle. Im Gegenteil. Der unbedarftere Zuschauer reagiert nicht so instinktverbildet wie der Kritikleser, der aus zweiter Hand geschmäcklert. Letzteren überlistet man — auch das lernte ich — mit Text. Mit Weglassen von Text. Wenn er an Geste oder Haltung die Gemütslage erkennt, ohne daß sie verbal ausgewalzt wird, lacht er, von seinem gesunden Empfinden überrumpelt, völlig unverbildet gradaus.
Eine Schule für sich ist Straßentheater. Zweimal nahm ich am Faschingszug teil. Zuerst mit dem gesamten Ensemble der Schaubude und ein Jahr später, in kleinerer Kleinkunstkathegorie, für das Etablissement Barberina. Beide Spalierfahrten endeten stockheiser, aber mit Erfahrungszuwachs. Unter freiem Himmel als Gaukler auf dem Wagen fühlt man die Wurzeln des Metiers, versteht die Behausten, die ihre Wäsche weghängten. Jeder Fetzen auf der Leine lockte, ihn für Kostümzwecke verschwinden zu lassen.
Das Spiel an der frischen Luft ohne begrenzenden Guckkasten ist ungleich anstrengender. Wort und Bewegung verlieren sich, man legt zu, schreit und tobt und entfernt sich damit von denen, um deren Gelächter man sich plagt. Der Sog, nichts unversucht zu lassen, dem Affen Zucker zu geben, wie es heißt, wird unwiderstehlich und hat wohl zur Erfindung des Regisseurs geführt.
Obwohl längst
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