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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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seßhaft, oft sogar beamtet, sind Reste geblieben , sind die Gesichter des ehemals fahrenden Volks vom Wind gegerbt. Man sieht das an sehr alten Schauspielern. Die zahllosen Rollen haben sich eingegraben, ihre ins Athletische gesteigerte Ausdruckskraft läßt sich nicht mehr auf Alltagsmaß zurückdämmen. Wer nicht unerschütterlich in sich ruht, wirkt überanstrengt, strahlt gleichsam mit Dauerfernlicht über die Rampe, auch wo gar keine ist. Muß sich das Ich bestätigen, das immer hinter Rollen zu kurz kommt? Andererseits bilden die Kabarettisten, deren Rollen mit den Jahren hinter dem bühnenfüllenden Ich zur Andeutung verblassen, da keine Ausnahme.
    Leichtigkeit ist immer gefährdet. Wenn das Talent, die Stimmung anderer zu verändern, von komödiantischer Naivität in professionellen Zwang umschlägt, hat der Spaß aufgehört. Das Heitere muß frei bleiben. Sonst wirkt es tatsächlich zweitklassig. Nicht von einem Tag auf den andern. Mit Jugend und Temperament läßt sich einige Zeit mogeln.

    Karl Peukert hieß der alte, erfahrene Conférencier und ehemalige Faschingsprinz, der da meinte, er werde mich als Kandidaten für die Rolle der Närrischen Durchlaucht vorschlagen. Ich befand mich noch im Stande der Unschuld des Reinen Ama-tors und zeigte keinerlei Begeisterung. Vielleicht deshalb. Humor als eingetragener Verein, mit feststehendem Lustigkeitsstart am 11.11. elf Uhr elf unter seitenverkehrtem militärischem Gruß durch Handaufnahme an die uniforme Kopfbedeckung, stimmten mich nachdenklich. Vergleiche drängten sich auf. Ich sah unsere entfesselten Privatfeste, wo der Eros knisterte, daneben die Auftritte der Prinzengarde, wo er marschierte, nach jenem Rhythmus, von dem wir uns noch nicht erholt hatten. Ich sah unser balzendes Umschleichen von Ballschönen neben dem Stimmungsinterrutptus prunkvoller Prinzeneinzüge in Ballsäle; das Gurren aus innerstem Antrieb neben den lähmend-launigen Reden an Untertanen. Die zahlten für die Störung noch Eintritt.
    Vollends vergrämten mich die schleppenden Ordensverleihungen, bei denen die Nichtdekorierten jenen Humor beweisen mußten, für den die andern ausgezeichnet wurden.
    Nein.
    Militärisches Brimborium als Lustbarkeitskulisse — diese perverse Kleinbürgerorgie mit Zucht und Ordnung auf närrisch frisiert — verdiente unser Fasching nicht. Diesen Verrat an der Fröhlichkeit durfte ich nicht begehen. Also nein. Das heißt, wenn ja, dann anders. Dann Lustbarkeit für alle, spürbarer Ausnahmezustand in der Stadt, Monarchie zum Ausruhen. Ohne Militäroperette.
    Zunächst einmal schlug ich vor, alle alten Tore mit gerafften Vorhängen zu versehen, auf daß die Stadt wohnlicher werde. Damit sich die fünfte Jahreszeit von den anderen vier besser unterscheide, sollten Geschäftsinhaber, die das ganze Jahr über an den Einwohnern verdienen, freiwillig spendieren dürfen. Täglich würde der Faschingsprinz in einem anderen Lokal zu Mittag essen. Wo, würde er spontan entscheiden. Alle bei seinem Eintreffen zu Tisch sitzenden Gäste wären automatisch vom Chef eingeladen.
    Nachmittags könnte der Faschingsprinz, in vollem Ornat, versteht sich, einen Trambahnzug lenken, der mit Blaskapelle und vielen Anhängern, auf denen es Freibier gibt, kreuz und quer durch die Stadt fährt. Auch die Mitfahrt wäre frei, und der Kurs selbstverständlich mit dem Fahrplan abgestimmt.
    Nachts würde der Faschingsprinz in frei gewählter Verkleidung Bälle besuchen und tanzen. Danach aber nicht nach Hause gehen, vielmehr zum Beispiel auf dem Odeonsplatz übernachten, in einem Zelt, das eine Firma werbewirksam zur Verfügung stellt. Oder im Schaufenster eines Möbelhauses, hervorragend gebettet, erwachen. Anschließend Großes Lever — wieder bei Freibier und gespendeten Gaumenscherzen — mit öffentlicher Rasur durch einen namhaften Friseur.
    Gestärkt und geglättet könnten Durchlaucht an einer Stadtratssitzung teilnehmen, um mitzuentscheiden, welcher Blödsinn heute beschlossen werde. Selbstverständlich würde er bei einem Stadtbummel Gespräche mit Passanten führen, Bittgesuche entgegennehmen, Firmen besuchen, um den geordneten Geschäftsgang in entspannender Weise zu stören. Vielleicht würde er auch die Qualität eines Taucheranzugs in der Isar ausprobieren.
    In den täglichen Hofberichten der Zeitungen würden alle spendablen Firmen und Geschäftsleute gebührenfrei gelobt, Bittgesuche und Wünsche aus der Bevölkerung veröffentlicht. Gerechterweise würde der

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