Fröhliche Zeiten
Faschingsprinz auch mit der Blechbüchse sammeln, um den Herstellern von Faschingsorden ein Ausfallhonorar überweisen zu können.
Diesen ersten Entwurf hat der Humorverein bereits schlechtgeheißen. Mich inbegriffen. Und damit gezeigt, wie ernst er seine selbstgestellte Aufgabe nahm.
Weitertingelnd ernährte ich mich möglichst reichlich. Noch war die Rationierung von Lebensmitteln nicht aufgehoben. Der Siegeszug des Bikini an den Badestränden, die Aufhebung der Todesstrafe, Wunderheilungen mit Staniolkugeln durch einen gewissen Bruno Gröning, die Gründung der Bundesrepublik und Samba, der neueste Modetanz, lieferten Stoff für aktuelle Texte. Manche verkaufte ich, andere erweiterten mein eigenes Repertoire. Als kleine Filmrollen dazukamen, lag der Gedanke nahe, hier müsse es weitergehen. Doch das ist ein Kapitel für sich.
Denkmalpflege
Die Zweitwagen kamen gerade in Mode und die Zweit-Wohnsitze, im Tessin vor allem. Heute möchte ich einem Münchner, der wie nur wenige andere zu dieser Stadt gehört, selbst ein unverwechselbares Stück München ist, ein Zweit-Denkmal setzen — dem Sommer Sigi.
Von Anfang an bei der Abendzeitung, hat er das Leben der Landeshauptstadt auf allen Schauplätzen handschriftlich festgehalten. Vom Mutterl, das mit seinem Zamperl den Vater auf dem Friedhof besucht und mit ihm spricht, über die Schickeria in teuerster Halbseide, Stenze, Nordlichter im Trachtenanzug bis zur Selbstdarstellung der Großkopferten.
Mit seinem Zweit-Ich als Blasius der Spaziergänger durchstreifte er seit 1948 mit Röntgenblick die Stadt. Der Architekt und Karikaturist Ernst Hürlimann hat diesen literarischen Stuntman protraitiert, seinem Wesen, seinem Blickwinkel Gestalt verpaßt: Humor, Distanz, Grant, Unbestechlichkeit und Herz.
Wenn ich’s mir recht überlege, ist das bereits ein Dritt-Denkmal. 1950 habe ich Blasius den Spaziergänger in einer Kabarettnummer auf die Bühne der Kleinen Freiheit gestellt.
Ulrich Beiger, Schauspieler und selbstverständlich Münchner, hat die kauzige Figur mit der Melone, dem Schnauzbart und dem an Chaplin erinnernden Spazierstöckchen auf so liebenswerte Weise lebendig gemacht, daß sein geistiger Vater Sigi den leiblichen Uli als Kuckucksei annahm.
Längst ist der Sigi Sommer bei der Stadt unter unverlierbarem Inventar aufgeführt. Trotzdem möchte ich ein Verdienst hervorheben, das noch zur Ehrung aussteht: Der Titel eines Doktor phil, Honoris causa. Für erfolgreiche Verteidigung der Landessprache gegen drohende Überfremdung im Tschüß-Stil.
Wie kein anderer hat Siegfried Sommer das Weltstadt-Bayerisch gepflegt, es um bildhafte Neuschöpfungen bereichert und weiterentwickelt. In seinen Kolumnen, in seinen Büchern, auf dem Theater.
Wer erinnert sich nicht an den Beatle mit Schiebedach — eine Sommer-Bezeichnung für Stirnglatze zur Zeit der Liverpooler Sängerknaben? Oder an seine zahllosen Erotica Bavarica? Zum Beispiel die Füllung eines Dirndls hinterm Behördenschalter, die er griffsicher als »die beiden rosigen Schalterbeamten« vorstellte.
Ein Original hat originell zu sein. Je müheloser ihm das gelingt, desto originaler ist es. Hier gibt’s für den Sigi keine Schwierigkeiten. Als Tennisspieler leichte Fußbekleidung zu schätzen wissend, hat er, lang vor Aussteigern und Joggern, den Turnschuh boulevard- und salonfähig gemacht. Für seine Person. Gummilatschen zum Smoking kann er sich leisten, wie Karajan Wildlederschuhe zum Frack. Seine persönliche Freiheit ist gummigeerdet. Im wachsenden Stadtverkehr hat er sie vom Cabriolet auf die Trambahn verlagert.
Wer an seinem Stammtisch im Klösterl oder im Augustinergarten sitzen darf, braucht sich nicht mehr ins Goldene Buch der Stadt einzutragen. Die lebenslängliche Schonzeit eines Ehrenbürgers ist ihm sicher.
Der Sigi sieht und registriert. Seine Momentaufnahmen aus dem Leben in München gehen in die Tausende. Was der Schreibmaschinenmuffel nicht mit der Hand festhält, speichern seine grauen Zellen. Nach dreißig Jahren hat er mir den Kästner-Song von der Kleinen Freiheit vorgesungen. Erst bei der dritten Strophe kam seine Trambahn. Wie sich die Humorlage der Nation mit den Jahren veränderte, mußte auch Blasius erfahren. Fühlten sich bisher von einer Glosse gelegentlich natürliche Personen, also Menschen, betroffen, traten mehr und mehr juristische Personen, sprich Interessengruppen und Verbände, an ihre Stelle.
Da meldete sich 1952 in einer Leserzuschrift, die den beanstandeten
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