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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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sprechen: Die Sicherheit tötet das Leben.
    Irgendwie würde es schon gehen.
    Gewiß trat Bruni Löbel einmal in der Kleinen Freiheit vor den Vorhang, um wegen noch ausstehender Gage zu protestieren. Mild schüttelten wir die Köpfe. Sie kam zurück, ihre Zornesfalten glätteten sich und sie spielte ihre Rollen mit gewohntem Elan. Auf den Gedanken, uns zu Solidarität aufzurufen, zum Streik anzustifen, wäre sie nie gekommen. Ein echtes Zirkuspferd mag einmal schnauben, aber es trabt dann doch.
    Das Sein im Augenblick ging allen über das Haben für später.
    Weder Hans Nielsen, Bobby Todd, Franz Muxeneder, Elisabeth Scherer, Alois M. Giani, Charlotte Kerr, Karl Lieffen, Horst Hächler, Charlotte Witthauer, Peter Tim Schaufuss, Hilde Classen, noch der vom Krieg zum Kabarett versprengte Ufa-Nachwuchsliebhaber John Pauls-Harding forderten ein Ende der Bescheidenheit. Mein Versagen als Direktor soll damit nicht beschönigt werden. Oft genug hat mir Centa Ostermeier ins Gewissen geredet, ich müsse darauf dringen, daß Sozialabgaben bezahlt werden, auch im eigenen Interesse.
    »Jaja«, sagte ich jedesmal und dachte: Was hat sie nur mit dem Fremdwort? Allzu gründliche Beschäftigung mit Geld fand ich vulgär. Daran hat sich nichts geändert. Wir liebten die leichte Gangart. Es war schön, Kabarettist zu sein, am späten Vormittag, wenn alte Freunde längst vom Ernst des Lebens an Arbeitsplätzen festgehalten wurden, durch die Stadt zu promenieren, in Geschäften Autogramme zu geben und Rabatte zu bekommen, in Restaurants erkannt und bevorzugt betreut zu werden. Dabei sich huldvoll anzuhören, wie gut man wieder gewesen sei, erfrischte. Auch wenn das angesprochene Ereignis Jahre zurücklag. Wer einmal kräftig in der Presse gelobt wurde, darf lange versagen.
    Mit seinem Auto genau dort vorzufahren, wo man hinwollte, bedeutete zusätzliche kleine Freiheit. Da fand man’s auch nicht beschwerlich, nach der Vorstellung eine mit Lippenstift auf die Windschutzscheibe geschriebene Telefonnummer mittels benzingetränktem Lappen wegzuwischen, bevor man als später Gast auf einer Einladung den nächsten Auftritt hatte.
    Weil wir jeden Abend spielten, gab’s reguläres Abendessen für uns nur zweimal im Jahr: Karfreitag und Heiligabend. Einladungen als unbezahlte Stimmungsmannequins dafür um so mehr. Man bemerkte die Absicht und verabschiedete sich rasch. Es sei denn, eine neue Bekanntschaft entwickelte Magnetismus, und der Alleinunterhalter unterhielt sich allein mit ihr.
    Spaß hatten wir in den Vorstellungen genug. Insbesondere an privaten Improvisationen, die sich thematisch mit unseren Rollen vereinbaren ließen. Gut getarnte Frotzeleien auf offener Szene pointiert zu beantworten, bereitete uns schulbubenhaftes Vergnügen.
    In einer Parodie auf Schillers berühmte Kapuzinerpredigt reimten sich zwei Dialogsätze.
    Fragt der eine: Und was sagt der Russ’?
    Antwortet der andere: Red er keinen Stuß!
    Hinterhältig kam eines Abends die Frage: Und was sagt der Russe? Und ohne ein Zögern die Antwort: Red’ er keinen Stuß, eh?
    Manche Damen auf den vordersten Plätzen, in der sogenannten Nerzreihe, gewöhnten sich an, ihre Mäntel oder Stolen auf die nur sechzig Zentimeter hohe Bühne zu legen. Trude Kolman schnaubte Rauch aus der Nase wie ein germanischer Drache. Bei meinem nächsten Auftritt sollte ich energisch darauf hinweisen, daß das unstatthaft sei. Mein Riecher sträubte sich. Rauchlos. Da mußte uns eine kabarettistischere Lösung einfallen. Schon war ich dran. Ohne den Text zu ändern, stellte ich mich auf den ersten Nerz und schlenderte conferierend weiter über alle andern. Bei der Schlußpointe war die Bühne frei. Neckereien unter Kollegen wurden bei der Kleinen Freiheit grundsätzlich nicht in der Garderobe, sondern auf der Bühne ausgetragen. Trotz allen Übermuts, der ja Stimmung macht, nicht zu lachen, erforderte höchste Beherrschung. Wenn etwa Peter W. Staub plötzlich zu husten anfing, dabei die Hand statt vor den Mund vor ein Auge hielt oder mit dem Zeigefinger durch drei glaslose Brillen auf seiner Nase griff, um etwas gar nicht Vorhandenes aus dem Augenwinkel zu wischen und mit der anderen Hand von der Fingerkuppe zu schnippen, worauf es an dieser hängenblieb wie ein Kaugummi. In solchem Fall mußte sich Eva Maria Meineke, deren Lachen besonders locker saß, etwas Witziges einfallen lassen, das ihre entgleisenden Gesichtsmuskeln erklärte. Kollegenscherze können die Stimmung töten. Der Zuschauer will

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