Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
Offensichtlich, um dem
jungen Paar aus dem Weg zu gehen, das den Raum betrat und sich nach kurzem Fingerzeig
von einem Mitarbeiter der Polizei Frank näherte.
Frau Entrup
verabschiedete sich im selben Moment, schaute in der hintersten Ecke des Frühstücksraums,
ob alles in Ordnung war, und ging an der Fensterwand entlang zurück zum Ausgang.
Einer jungen Kellnerin rief sie hinterher, dass dort noch dreckiges Geschirr herumstehe.
»Die Spurensuche braucht das noch«, bekam sie die schnippische Antwort, als sie
schon weg war.
10
»Wir sind Maria und Johann Overbeck.«
Sachte schob der schlanke, groß gewachsene Mann seine Schwester nach vorne, damit
ihr der Kommissar kniggegerecht die Hand zuerst reichte. Liv hätte gewettet, dass
Frank Golström die nötigen Umgangsformen auch ohne diesen Fingerzeig beherrschte.
»Meine Schwester
und ich teilen das Schicksal, dass wir Hermann Entrups leibliche Kinder sind. Der
Tote hatte vor langer Zeit unsere Mutter, seine erste Ehefrau, geheiratet«, erklärte
Johann Overbeck, umständlich das Wort ›Vater‹ umgehend.
»Frau Overbeck,
Herr Overbeck?«, zögerte Frank Golström.
Wieder ergriff
der Mann das Wort: »Wir haben nach der Trennung unserer Eltern den Mädchennamen
unserer Mutter angenommen und bis dato behalten, da wir beide noch nicht verheiratet
sind. Kein normaler Mensch hält es lange mit einem Partner aus der Hotelbranche
aus«, begründete er diesen Status.
»Das klingt,
als sei die Familie damals nicht in Frieden auseinandergegangen«, sagte Frank, direkt
zur Sache kommend.
»Sie meinen,
wieso wir nun hier zusammen in einem Hotel wohnen und arbeiten?« Frank nickte. »Irgendwann
überkam ihn wohl ein schlechtes Gewissen …«, mutmaßte der Sohn.
»… oder
er suchte verlässliche, billige Arbeitskräfte …!«, warf seine Schwester Maria ein.
Ihr Bruder überging sie lächelnd und vollendete seinen Satz: »… auf jeden Fall fragte
er uns, ob wir hier nicht einsteigen wollten. Das taten wir damals, ohne groß zu
überlegen.«
Bei dieser
Erklärung grinsten der circa 40 Jahre alte Mann im hellgrauen Anzug und seine jüngere
Schwester. Er war etwas blass, aber mit einem gewinnenden Lächeln. Seine Schwester
war ebenfalls ein sportlicher Typ. Ihr schmales, dezent geschminktes Gesicht mit
weit auseinanderstehenden dunkelbraunen Augen wurde umrahmt von dunkelblonden Haaren
mit einem kurzen, fransig- frechen Schnitt. Ein wenig neidisch beäugte wohl jede
Frau ihre fast jungenhafte Figur. Sie trug eine weiße Bluse und eine hellgraue Stoffhose,
beides edel und dezent.
Liv beobachtete
auch hier, dass Tochter und Sohn des Toten keine Tränen der Trauer zeigten. Schade
nur, dass sie hier noch unbeteiligt tun und im Hintergrund bleiben musste. Viel
lieber hätte Liv ihre eigenen Fragen gestellt und Fotos geschossen. Aber dazu hatte
sie noch Zeit, ihr Aufenthalt im Hotel hatte ja gerade erst begonnen.
11
Na endlich! Endlich weinte jemand!
Alle Anwesenden im Raum wandten sich schlagartig um zu der kleinen, drahtigen Frau
mit kurzen, dauergewellten grauen Locken, die bis zum Tisch ging, an dem der Tote
gesessen hatte. Mit einem Eimer und Putzlappen in der einen Hand, die andere Hand
fest um ein Taschentuch geklammert, stand sie da mit verzerrten Gesichtszügen. Aus
dem anfänglichen leisen Jammern wurde ein krampfartiges Schluchzen und dann heulte
sie los. Sturzbäche von Tränen flossen aus ihren Augen, die sie ständig mit ihrem
Taschentuch betupfte. Ihr feuchter Blick suchte bei den Spurenfahndern der Polizei
nach Antworten. Diese wiederum suchten Hilfe, um die Person, deren geheulte Worte
mit ausländischem Akzent sie ohnehin nicht verstehen konnten, schnellstmöglich aus
dem Raum zu drängen.
Da trat
Gritta Entrup noch einmal auf die Bühne. Von hinten peilte sie zielstrebig die Weinende
an, griff sie fest am Arm und zischte ihr ein energisches »Anuschka, reiß dich zusammen!«
zu. Das Heulen wurde nur noch lauter. Sie heulte, schrie, kreischte, schluchzte.
Für alle anderen war das einfach zu viel des Guten. Alle waren Gritta Entrup dankbar,
die dieser Qual für Anuschka, aber auch für die unfreiwilligen Zuhörer endlich ein
Ende setzte und sie aus dem Raum beförderte.
Da Liv sowieso
zu ihrer Gesichtsbehandlung aufbrechen musste, ging sie der Weinenden hinterher.
»Das nicht
verdient, wieso vergiften?« Was Anuschka da von sich gab, hörte sich äußerlich an
wie gebrochenes Deutsch mit polnischem Akzent, inhaltlich so, als wüsste sie
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