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Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)

Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)

Titel: Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Sieben
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Schenck. Nun pausierte er kurz mit seiner Theorie.
Seinen wachen Augen entging nicht, dass die zwei jungen Männer, die den Hotelausgang
anstrebten, zwei Kellner in Zivil waren.
    »Schönen
Feierabend!«, winkte er ihnen zu. Die beiden lachten: »Den haben wir uns hart verdient.
Bis morgen, Herr von Schenck.« Er zwinkerte der staunenden Liv zu und setzte seinen
Gedankengang fort:
    »Und was
ist mit den restlichen Mitarbeitern? Im Laufe der Jahre hat sich ein Gemeinschaftssinn
sondergleichen in dem Betrieb herausgebildet. Sie machen ihre eigenen Gesetze, ihre
eigene Ordnung. Vielleicht wollten sie das Ruder selbst in die Hände nehmen? Was
liegt näher, als die Störenfriede, also den Seniorchef und seine Frau, zu beseitigen,
um den Unwahrheiten, Intrigen und Ungerechtigkeiten ein Ende zu setzen? Oder um
ihre persönlichen Gesetze durchzubringen?«
    Bei seinen
Beobachtungen hatte von Schenck die Mitarbeiter-Situation in diesem Haus bereits
gut durchschaut. Seine Theorie dazu schloss er sogleich an: »Möglich wäre auch,
dass der Senior oder seine Ehefrau den großflächigen Hinterziehungen der Mitarbeiter
auf die Schliche gekommen waren. Die Mitarbeiter hatten mit der Zeit ihr eigenes
Belohnungssystem entwickelt. Das ist eine lukrative Einnahmequelle. Da hängen Dutzende
mit drin. Gemeinsam setzten sie sich zur Wehr und beseitigten diejenigen, die ihren
Betriebsfrieden störten.«
    »Und wenn
es der Seniorchef war«, ergänzte Liv.
    Herr von
Schenck war wirklich ein guter Beobachter. Seine Methoden erschienen Liv zwar ungewöhnlich
und antiquiert, aber wirkungsvoll.
    »Wie wir
beide schon feststellten, möglich ist alles. Was zählt nach all den Jahren des Hasses
und des Machtkampfes mehr, Gewohnheit oder Gerechtigkeitswille?«, fragte Liv.
    Von Schenck
zuckte erneut mit seinen dicken Augenbrauen: »Als Fazit bleiben mehr Fragen als
Antworten, mehr Verdächtige als Unschuldige.«
    »Aber am
meisten verdächtig ist derjenige, der einen hochgradig giftigen Frosch zu Hause
hegt und pflegt«, resümierte Liv. »Also doch Bettina? Ich muss mehr über sie und
ihr ›mörderisches‹ Hobby herausfinden – und abwarten, was der Kommissar Neues recherchiert.
Aber wissen Sie, Herr von Schenck, abwarten ist bei Weitem nicht meine Stärke, ich
werde ihn gleich anrufen.«
    Liv stand
so plötzlich auf, dass er gar nicht schnell genug nachkam. Sie berührte lächelnd
seinen Arm und mit dem Handy bereits in der Hand, verabschiedete sie sich: »Danke,
tschüss!«

36
     
    Liv hatte Glück, Frank war direkt
am Telefon. Ohne Umschweife legte sie los: »Hallo, Frank, ich bin’s. Ist nun klar,
woran der Senior gestorben ist? Welches Gift war es? Bleiben sie bei der Theorie
Froschgift? Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gritta Entrup am selben
Gift gestorben ist? Sind deine Kollegen von der Rechtsmedizin weiter?«
    Pause am
anderen Ende der Leitung.
    »Was ist
los, Frank? Störe ich dich etwa?«
    »Nett, dass
du fragst«, sagte er in einem unfreundlichen Ton. »Du meinst auch, wenn du rufst,
müssen alle parat sein.«
    »Du hättest
ja nicht ans Telefon gehen müssen, wenn du gerade deinen Mittagsschlaf hältst«,
konterte sie.
    Wieder eine
Pause, Frank holte tief Luft. »Nein, von Frau Entrup weiß ich noch nicht viel«,
leierte er herunter. »Die Kollegen suchen aber als Erstes nach Gift in ihrem Körper.«
Seine Stimmlage wurde etwas geschmeidiger. Er schien sich durch Livs Anruf schnell
beruhigt zu haben – von was auch immer. »Halt dich fest! In der Leiche des Seniors
ist tatsächlich ein hochpotentes Gift nachgewiesen worden. Batrachotoxin heißt es.
Das ist ein Verteidigungsmittel südamerikanischer Frösche und als ein Pfeilgift
bekannt. Es ist ein sehr schnell wirkendes Nervengift und lähmt den gesamten Körper.
Die Indianer Südamerikas können aber die Tiere, die sie durch Giftpfeile getötet
haben, verzehren, ohne Schaden zu nehmen. Nur bei krankhaften Zuständen des Magen-Darm-Traktes
führt dieser Genuss zu Vergiftungen. Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, muss
das Gift direkt in die Blutbahn gelangen.«
    Liv folgerte
den Satz zu Ende. »Das bedeutet, wenn dieses Bachotoxin …«
    »Ba-tra-cho-toxin«,
buchstabierte Frank lehrerhaft.
    »… okay,
das Ba-tra-cho-toxin wirkte über die Blutbahn tödlich, nicht über den Verdauungsgang.
Der alte Mann ist nicht durch sein Müsli vergiftet worden, das hatte die Gerichtsmedizin
ja schon bestätigt. Aber wie gelangte das Gift denn nun in seinen Körper? Mit

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