Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
räumen? Gritta Entrup störte in
jedem Fall ihr Gesamtbild von einer heilen Familie. Sie lief hier noch ungestört
herum und hatte Einfluss. Aber störten die zwei Junioren nicht ebenso?«
Die Frage
blieb unbeantwortet. Das sollte sie auch, vorerst.
Liv war
noch lange nicht am Ende mit ihrem Brainstorming. »Ich habe gesehen, wie Monika
Salmann den Kommissar um den Finger wickelte.« Liv pausierte und drehte sich um,
als fühlte sie sich in dieser offenen Lobby des Hotels beobachtet. Aber sie konnte
weder einen Gast noch einen Mitarbeiter ausmachen. Also fuhr sie weiter fort: »Noch
leichter gelang ihr dies bestimmt bei einem mehr als doppelt so alten Mann.«
»Nur bei
einem labilen alten Mann«, betonte Karl von Schenck, lächelnd diese Vorverurteilung
von älteren Männern zurückweisend.
»Aber ist
diese zarte Monika Salmann wirklich fähig, einen, zwei oder mehrere Morde zu begehen?«,
fragte Liv weiter. »Wir dürfen nicht vergessen, dass sie für beide Taten ein Alibi
hat. Sie war bei ihrer pflegebedürftigen Mutter. Nur das Wort einer Angestellten,
das ich nicht offiziell verwerten darf, spricht gegen eines dieser Alibis. Diese
Mitarbeiterin schwor mir, die Salmann in der Nacht zum Morgen, an dem Gritta Entrup
ermordet wurde, gesehen zu haben.«
Auch hier
zog von Schenck seine Augenbrauen verdächtig hoch und fügte an: »Frau Salmann wäre
noch lange nicht am Ziel, die Geschwister stehen noch zwischen ihr und ihrem Lebensziel.
Ein sehr großer Auftrag, den Sie dieser zierlichen Person zutrauen.«
»Sie haben
recht«, sagte Liv, »es scheint mir auch etwas gewagt.«
»Ja, da
sind wir bei den Kindern des Toten …«, von Schenck schaute Liv erwartungsvoll an.
»Sie waren
zu beiden Tatzeiten im Haus und haben keine stichfesten Alibis. Sie kannten ihren
Vater, seine Gewohnheiten und die Möglichkeiten im Haus, die sie zu ihren Zwecken
perfekt ausnutzen konnten. Motive hatten sie zur Genüge. Sie wollten endlich den
selbst- und genusssüchtigen Störenfried loswerden.«
»Aber sie
hatten ihn Jahre ertragen, weshalb nun plötzlich nicht mehr?«, warf von Schenck
ein und machte weiter. »Über einen Verkauf des Hotels wären sie sicher nicht glücklich
gewesen. Brachten sie ihn deswegen um? Habgier ist ein häufiges Mordmotiv. Sie hätten
garantiert vieles dafür getan, ihren ungeliebten Vater von einem Verkauf des Hotels
abzubringen, da bin ich mir sicher. Und wer weiß, vielleicht rechneten sie auch
eventuell mit neuen Geschwisterchen, neuen Erben? Das dürfte ihre Probleme noch
größer werden lassen. Das kann schon Grund genug sein, einen Mord zu begehen«, schloss
er.
»Kinder?«
Sichtbar entrüstet, setzte sich Liv ein Stück weit aufrechter und von Schenck zugewandt
hin: »Der war 84!«, warf Liv auf den letzten Gedankengang ein. Von Schenck zuckte
mit den Schultern, als Liv fortfuhr: »Okay, den Vater und Stinkstiefel umzubringen,
ist die eine Sache, aber ob der brutale Mord an ihrer Stiefmutter in das Profil
der Geschwister passt?«
Von Schenck
stimmte nickend zu: »Ohne diese beiden Störenfriede haben die Geschwister ein ruhigeres
Leben und Arbeiten, keine Frage. Möglich könnte aber auch sein, dass die Ehefrau
die Kinder erpresst hat, weil sie sie im Verdacht hatte, den Vater umgebracht zu
haben. Dann hatten Bruder und Schwester einen weiteren Grund, sie zu töten.« Von
Schenck und Liv waren begeistert bei der Sache. Jedem unbeteiligten Zuhörer wäre
bei der Fülle von Verdächtigen und möglichen Motiven sicher mehr als mulmig geworden.
Beide verstummten ruckartig, als ein Service-Mitarbeiter auftauchte. ›Auszubildender‹
stand auf seinem Namensschild. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«, fragte
er etwas schüchtern. Von Schenck wartete Livs Antwort »eine kalte Cola mit Eis«
ab und bestellte einen Tee. Der junge Mann entschwand.
Von Schenck
klopfte sich imaginäre Fusseln von der Stoffhose und murmelte in sich hinein: »Ich
bin gespannt, welche Sorte Tee und wie zubereitet mit welchen Zutaten ich bekommen
werde. Aber egal, wir wollten uns nun die Fitnesstrainerin Bettina vornehmen. Legen
Sie los, ich bin gespannt.«
»Okay, Bettina,
die Sportskanone und heimliche Freundin von Johann Overbeck. Wollte sie mit den
Morden an dem verhassten Senior und dessen Ehefrau vielleicht ihren Freund retten
und ihre gemeinsame Zukunft sichern? Hätte sie dann aber mir gegenüber zugegeben,
dass sie den Alten nicht leiden konnte?«
»Die menschlichen
Abgründe sind tief«, zweifelte von
Weitere Kostenlose Bücher